Quo Vadis
Aufrichtiges Mitleid sprach aus ihm, und ihre Worte drangen tief in sein Herz, als sie ihm nun dankte und zu versichern begann, daß Pomponia ihn um seiner Güte willen lieben und sie selber ihm zeitlebens dankbar sein werde. Er konnte seine Rührung nicht bemeistern, und es schien ihm, er würde niemals fähig sein, ihren Bitten zu widerstehen. Ihre Schönheit berauschte seine Sinne, und er begehrte sie, zugleich aber empfand er, daß sie ihm sehr lieb sei und er ihr wirklich gleich einer Gottheit huldigen könnte; es trieb ihn auch unwiderstehlich, von ihrer Schönheit und seiner Verehrung zu ihr zu sprechen. Als der Lärm des Gelages zunahm, rückte er näher an sie und flüsterte ihr süße Worte zu, die der Tiefe seines Herzens entsprangen, Worte, so wohltönend wie Musik, so berauschend wie feuriger Wein.
Und sie ließ sich berauschen. Inmitten dieser fremden Welt erschien er ihr noch teurer, durch und durch treu und von ganzer Seele ergeben. Er beruhigte sie und versprach, sie aus dem Hause Neros zu retten, er gelobte, ihr zu dienen und sie nicht zu verlassen. Damals, in Aulus’ Garten, hatte Marcus nur allgemein von Liebe und Liebesglück gesprochen; nun aber gestand er, seine Liebe gelte ihr, sie sei sein teuerstes Kleinod.
Zum erstenmal vernahm Lygia solche Worte aus dem Munde eines Mannes, und während sie sie vernahm, schien es ihr, als ob etwas Unbestimmtes in ihrem Inneren erwache und eine ganz neue Glückseligkeit sie erfülle, wobei unsägliche Wonne mit unsäglichem Bangen verbunden war. Ihre Wangen begannen zu brennen, das Herz zu pochen, ihr Mund vor Staunen sich zu öffnen. Furcht ergriff sie, weil sie auf solche Dinge lauschte, wiederum wünschte sie, um nichts in der Welt auch nur ein Wort davon zu verlieren. Bald senkte sie die Augen, bald erhob sie den klaren Blick zu Marcus, scheu und doch fragend, als ob sie sagen wollte: „Sprich weiter!“ Der Klang der Musik, der Duft der Blumen und arabische Wohlgerüche betäubten ihre Sinne. Es war Sitte in Rom, bei Gelagen zu liegen; daheim jedoch hatte Lygia einen Sitz inne zwischen Pomponia und dem kleinen Aulus. Jetzt lag Marcus neben ihr, jugendlich, herrlich, verliebt, und sie empfand Entzücken und Scham zugleich. Eine Art von süßer Schwäche, Ohnmacht und Selbstvergessenheit erfaßte sie; es war, als ob Schlaf sie überkäme.
Ihre Nähe begann nun auch auf Marcus einzuwirken. Mit ungewohnter Kraft pochte sein Herz unter der scharlachroten Tunika; er atmete kurz und stieß abgebrochene Worte hervor. Zum erstenmal war er so nahe bei ihr. Seine Gedanken verloren die Klarheit; in seinen Adern brannte ein Feuer, das er mit Wein umsonst zu löschen suchte. Nicht der Wein, sondern ihr wunderbar schönes Gesicht, die bloßen Arme, die unter der goldgestickten Tunika wogende Brust, ihre Gestalt, in die weichen Falten des Peplos gehüllt, berauschten ihn mehr und mehr. Endlich ergriff er ihren Arm beim Handgelenk, wie er es damals getan hatte, zog sie näher zu sich heran und flüsterte mit zuckenden Lippen:
„Lygia, ich liebe dich – du Göttliche.“
„Laß mich los, Marcus“, bat Lygia.
Doch er fuhr fort mit umnebelten Augen:
„Liebe mich, meine Göttin!“
In diesem Augenblicke rief Acte:
„Der Cäsar schaut auf euch beide.“
Plötzlicher Zorn über Nero und Acte ergriff Marcus. Die Worte der Griechin hatten den Bann seiner Betäubung gebrochen. Selbst eine Freundesstimme wäre in diesem Augenblick dem Jüngling widerwärtig gewesen; er aber glaubte, Acte habe absichtlich sein Gespräch mit Lygia unterbrechen wollen. Er warf den Kopf zurück, blickte über Lygias Schulter zu der Freigelassenen hin und sagte boshaft:
„Die Zeit ist vorbei, Acte, wo du bei Gelagen neben dem Cäsar ruhtest, man sagt auch, du werdest blind; wie kannst du ihn dann sehen?“
Doch sie antwortete fast traurig:
„Gleichwohl sehe ich ihn. Auch er ist kurzsichtig und betrachtet dich durch einen Smaragd.“
Jede Bewegung Neros weckte die Wachsamkeit selbst seiner nächsten Tischgenossen; so kam es, daß Marcus gewarnt werden konnte. Er gewann seine Selbstbeherrschung wieder und schaute unauffällig zum Cäsar hin. Lygia, zu Beginn des Mahles verwirrt, hatte Nero wie in einem Nebel gesehen und nachher, durch die Gegenwart und die Reden Marcus’ abgehalten, sich gar nicht nach ihm umgeschaut, jetzt aber wandte sie die neugierigen, erschrockenen Blicke zu ihm hin.
Acte hatte wahr gesprochen. Nero hatte sich über den Tisch gebeugt, ein Auge geschlossen
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