Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
Vom Netzwerk:
wenn er sie besitzen wollte, neue Wege entdeckt werden müßten, über die nachzudenken er noch nicht Zeit fand. Auch mußte er sich sagen, daß seine Worte keinen Glauben fänden, selbst wenn er einen Eid leistete, Lygia zu Pomponia zurückzubringen. Er hätte dies ja früher tun können. Statt Lygia nachzustellen hätte er zu Pomponia gehen und ihr schwören können, von jeder Verfolgung abzulassen. Pomponia würde dann selbst Lygia nachgeforscht und sie heimgeführt haben. Nein. Er fühlte, daß kein Versprechen, kein Eid sie überzeugen könnte, um so weniger, da er als Heide nur bei den unsterblichen Göttern schwören könnte, an die er selber nicht gerade fest glaubte und die in den Augen jener für böse Geister galten.
    Er marterte seinen Geist, um ein Mittel zu finden, Lygia und ihre Beschützer zurückzuhalten. Doch die Zeit war zu kurz. Seine Seligkeit hing daran, ihren Anblick wenigstens einige Tage lang genießen zu können. Gleichwie ein Ertrinkender von jedem Strohhalm Rettung hofft, so glaubte er, in diesen wenigen Tagen das Wort zu finden, das sie ihm näherbringen würde. Darum sagte er:
    „Hört mich an, ihr Christen. Ich war gestern mit euch im Ostrianum und lernte eure Lehren kennen. Eure Taten beweisen mir, daß ihr ehrlich und gut seid. Laßt jene Witwe fernerhin hier wohnen, bleibt ebenfalls hier und laßt auch mich bleiben. Dieser Mann“ – dabei deutete er auf Glaukos –, „der ein Arzt ist oder wenigstens die Behandlung von Wunden versteht, soll sagen, ob es möglich ist, mich heute von hier wegzutragen. Ich bin krank, mein Arm ist gebrochen, und ich muß mehrere Tage ruhig bleiben. Ich erkläre darum, dieses Haus nicht verlassen zu wollen, es sei denn, daß ihr mich mit Gewalt fortschafft.“
    Er hielt inne, weil ihm der Atem ausging.
    Crispus erwiderte: „Wir zwingen dich nicht, wir wollen uns bloß in Sicherheit bringen.“
    Vinicius, der nicht an Widerstand gewöhnt war, zog die Brauen zusammen und sagte:
    „Laßt mich erst einmal wieder zu Atem kommen.“
    Nach einer Weile fuhr er fort:
    „Nach Kroton, den Ursus tötete, wird niemand fragen. Er hätte heute nach Benevent reisen sollen, wohin Vatinius ihn rief. Man wird also glauben, er sei dorthin gegangen. Als ich mit Kroton dieses Haus betrat, sah niemand uns, ein Grieche ausgenommen, der uns nach dem Ostrianum bebegleitet hat. Ich will euch seine Wohnung angeben. Bringt ihn zu mir, damit ich ihm Schweigen auferlege; er ist von mir bezahlt. Auch in mein Haus will ich einen Brief senden und vorgeben, ich sei nach Benevent gegangen. Wenn der Grieche den Präfekten schon verständigt hat, so erkläre ich, Kroton selbst getötet und dabei den Arm gebrochen zu haben. Bei den Schatten meines Vaters und meiner Mutter, das will ich tun. Ihr möget in Sicherheit hier wohnen. Kein Haar soll von eurem Haupte fallen. Bringt schnell den Griechen her; sein Name ist Chilon Chilonides.“
    „So soll Glaukos bei dir bleiben und die Witwe dich pflegen“, sagte Crispus.
    „Höre, Alter, was ich sage“, versetzte Vinicius. „Ich schulde dir Dank. Du scheinst ehrlich und gut, aber du sprichst nicht offen von der Seele weg. Du fürchtest, ich möchte meine Sklaven herrufen und Lygia entführen lassen.“
    „So ist’s“, antwortete Crispus ernst.
    „So vernimm, daß ich vor euch allen mit Chilon sprechen und schreiben will, ich sei nach Benevent gegangen. Ihr sollt meine einzigen Boten sein. Bedenkt das und reizt mich nicht länger.“ Er war zornig geworden. Seine Worte wurden immer erregter.
    „Glaubst du, ich würde leugnen, daß ich ihretwegen hierzubleiben wünsche? Ein Narr müßte das merken, wenn ich es auch leugnete. Doch ich will sie nicht länger suchen müssen, und wenn sie nicht hierbleiben will, so reiße ich mit dieser gesunden Hand die Binde vom Arm und nehme weder Speise noch Trank. Dann komme mein Tod auf dich und deine Brüder. Warum hast du mich gepflegt, statt mich töten zu lassen?“
    Sein Zustand verschlimmerte sich zusehends.
    Lygia, die vom anstoßenden Zimmer alles gehört hatte und wußte, daß Vinicius tun würde, was er drohte, erschrak. Um keinen Preis durfte er sterben. Verwundet und hilflos, war er ihr nicht mehr ein Gegenstand der Furcht, sondern des Mitleids. Seit ihrer Flucht bei Leuten wohnend, die in beständiger religiöser Begeisterung lebten und nur an Opfer und Nächstenliebe dachten, war auch sie ganz in diese schwärmerische Atmosphäre eingetaucht. Auch hatte Vinicius schon zu sehr in ihr

Weitere Kostenlose Bücher