Quo Vadis
nicht unbestraft bleiben. Wenn ich ins Lager der Prätorianer ginge oder den Vigilen Meldung machte?“
Hier hielt er inne und begann nachzusinnen.
„Weh mir! Wer anders führte ihn zu jenem Hause als ich? Seine Freigelassenen und Sklaven sahen mich in seiner Villa, viele von ihnen wissen auch den Zweck meiner Besuche dort. Was wird geschehen, wenn sie argwöhnen, ich hätte ihn absichtlich in das Haus gewiesen, in dem er den Tod fand? Wenn auch später bei Gericht meine Unschuld an den Tag kommt, so werden sie doch mich als die letzte Ursache seines Todes bezeichnen. Ferner ist er ein Patrizier, und ich werde in keinem Falle der Strafe entgehen; verlasse ich aber Rom und suche irgendeinen entfernten Ort auf, so setze ich mich noch größerem Verdacht aus.“
Das eine war so schlimm wie das andere. Aber von zwei Übeln mußte das geringere gewählt werden. Rom war unendlich groß; Chilon aber schien es jetzt zu eng zu werden. Ein anderer würde sofort das Vorgefallene dem Präfekten der Vigilen berichtet haben, ohne sich um den Verdacht, der auf ihn fallen konnte, zu kümmern, und hätte ruhig den Ausgang abgewartet. Aber Chilons ganze Vergangenheit war derart, daß jede nähere Berührung mit dem Präfekten der Stadt oder dem der Vigilen ihn ernstlich beunruhigen mußte, da er sich hierdurch bei diesen Beamten nur noch mehr verdächtig machen würde.
Andererseits konnte seine Flucht Petronius in der Meinung bestärken, Vinicius wäre verraten und durch eine Verschwörung ermordet worden. Petronius war mächtig; er konnte die Polizei des ganzen Staates veranlassen, die Täter selbst an den Enden der Welt aufzusuchen, und würde sie zweifellos auch finden. Dennoch gedachte Chilon ihm persönlich den ganzen Vorfall zu berichten. Ja, das war der beste Plan. Petronius war verständig und würde ihn gewiß zu Ende hören, er kannte die Sache von ihrem Anfang an und wäre leichter von seiner Unschuld zu überzeugen als die Präfekten.
Ehe aber Chilon zu ihm gehen konnte, mußte er sich Gewißheit über das Schicksal des Vinicius verschaffen. Bisher fehlte ihm jede Spur. Er hatte zwar gesehen, wie der Lygier mit dem Leichnam Krotons sich zum Flusse stahl; doch weiter wußte er nichts. Vinicius konnte getötet, aber auch verwundet oder gefangengehalten sein. Plötzlich stieg in Chilon der Gedanke auf, daß die Christen sicherlich nicht wagen würden, einen so mächtigen Mann, der ein Freund des Cäsars war und einen hohen militärischen Rang bekleidete, zu töten; denn durch eine solche Tat würden sie sich eine allgemeine Verfolgung zuziehen. Wahrscheinlich hielten sie ihn mit Gewalt gefangen, bis Lygia ein zweites Mal verborgen wäre.
Dieser Gedanke belebte Chilons Hoffnungen aufs neue.
„Wenn dieser lygische Drache ihn nicht beim ersten Angriff schon in Stücke zerrissen hat, so lebt er und wird dann selber meine Unschuld bestätigen; ich habe nicht nur nichts zu befürchten – o Hermes! Du sollst deine zwei Kälber bekommen! –, ein neues Feld eröffnet sich mir. Ich kann den Freigelassenen des Vinicius, der seinen Herrn sucht, von der Sache unterrichten; er mag dann zum Präfekten gehen, ich für meinen Teil tue es nicht. Auch könnte ich Petronius suchen, jetzt werde ich Vinicius suchen und dann Lygia auch ein zweites Mal auf die Spur kommen. Doch erst muß ich Gewißheit haben, ob Vinicius tot oder noch am Leben ist.“
Es fiel ihm ein, daß er des Nachts zu dem Bäcker gehen und nach Ursus forschen könne. Doch diesen Gedanken verwarf er wieder. Er wollte mit Ursus lieber nichts zu tun haben. Sollte der Lygier Glaukos nicht getötet haben, so war er offenbar von älteren Christen, denen er seinen Plan bekannt hatte, davor gewarnt worden als vor einer unerlaubten Tat, zu der ein Verräter ihn verführen wollte. Jedenfalls durchschauerte es Chilon schon beim bloßen Gedanken an den Riesen. Doch wollte er des Abends Euricius um Nachrichten nach dem verhängnisvollen Hause senden. Zunächst bedurfte er der Erfrischung eines Bades und der Ruhe. Der Gang zum Ostrianutn, die schlaflose Nacht, die Flucht vom Stadtteil jenseits des Tibers hatten ihn todmüde gemacht.
Eins tröstete ihn: Er hatte zwei Börsen bei sich; die eine, die ihm Vinicius zu Hause gegeben, die andere, die er ihm auf dem Wege vom Begräbnisplatz zugeworfen hatte. Diese ermöglichten ihm, nach der überstandenen Aufregung reichlich zu essen und besseren Wein zu trinken als gewöhnlich.
Das tat er denn auch, als endlich die Weinschenken
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