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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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er flüsterte:
    „Lygia!“
    Die Schüssel zitterte in ihrer Hand beim Klange ihres Namens. Sie wandte ihm die traurigen Augen zu.
    „Friede sei mit dir“, erwiderte sie leise.
    Ihr Antlitz war voll Kummer und Mitleid.
    Er starrte sie an, wie um seine Augen zu sättigen, damit ihr Bild darin verbleibe, wenn sie zufallen würden. Er betrachtete ihr Gesicht, das blasser und hagerer war als früher, ihre dunklen Locken, ihr ärmliches Kleid; er blickte so unverwandt auf sie, daß unter dem Einfluß seines Blickes ihre schneeweiße Stirn sich zu röten anfing. Er dachte nur, daß er sie in alle Ewigkeit lieben wolle, wurde sich aber dann auch bewußt, daß ihre Armut und Blässe sein Werk waren, daß er sie aus jenem Hause vertrieben, wo man sie liebte, mit Reichtum und Bequemlichkeit umgab, daß er sie in diese schmutzige Wohnung verstoßen und daß sie um seinetwillen dies Kleid aus schlechter dunkler Wolle tragen mußte.
    Er hätte sie mit den kostbarsten Gewändern, mit allen Perlen des Erdkreises beschenken wollen. Staunen, Angst und Mitleid ergriffen ihn; er hätte zu ihren Füßen niederfallen mögen, wäre ihm nicht jede Bewegung unmöglich gewesen.
    „Lygia, du gabst nicht zu, daß ich getötet wurde.“
    „Gott lasse dich gesunden“, erwiderte sie sanft.
    Für Vinicius, der sowohl an das ihr früher zugefügte Unrecht wie auch an das, was er jetzt mit ihr getan hatte, dachte, waren ihre Worte ein lindernder Balsam. Er vergaß für einen Augenblick, daß die christliche Lehre ihr diese Worte in den Mund legen könnte. Er fühlte nur, daß die Geliebte sprach, daß in ihrer Antwort eine besondere Zärtlichkeit lag und eine überirdische Güte, die seine Seele tief erschütterte. Wie früher vor Schmerz, so wurde er jetzt vor Rührung schwach. Es war ihm, als stürze er in einen Abgrund; doch der Sturz dünkte ihm angenehm, und er kam sich glücklich vor. Er glaubte in einer Art süßer Ohnmacht, eine Gottheit stehe an seinem Lager.
    Inzwischen hatte Glaukos die Kopfwunde ausgewaschen und eine heilende Salbe darauf gestrichen. Ursus nahm Lygia die Schüssel ab; sie ergriff einen auf dem Tische stehenden Becher voll Wein und Wasser und hielt ihn dem Verwundeten an die Lippen.
    Vinicius trank begierig und fühlte sich erleichtert. Der Schmerz hatte seit der Operation beinahe aufgehört. Wunde und Quetschung waren verbunden, und vollständiges Bewußtsein kehrte zurück.
    „Gib mir noch mehr zu trinken“, sagte er.
    Lygia begab sich mit dem Becher in den anstoßenden Raum, während Crispus nach kurzer Unterredung mit Glaukos ans Bett trat und sagte:
    „Gott hat nicht zugegeben, daß du eine böse Tat vollführtest. Er hat dein Leben verschont, damit du in dich gehest. Er, vor dem wir alle Staub sind, gab dich schutzlos in unsere Hände. Christus aber, an den wir glauben, befiehlt uns, selbst die Feinde zu lieben. Deshalb verbanden wir deine Wunden und beten, wie Lygia sagte, zu Gott, er möge dich genesen lassen. Doch wir dürfen dich nicht länger pflegen. Friede sei darum mit dir! Bedenke, ob es dir geziemt, Lygia ferner zu verfolgen. Du hast sie ihrer Beschützer, uns aber des Obdachs beraubt; dennoch vergelten wir dir Böses mit Gutem.“
    „Wollt ihr mich verlassen?“ fragte Vinicius.
    „Wir verlassen dieses Haus, wo die Verfolgung des Stadtpräfekten uns erreichen könnte. Dein Gefährte ist getötet worden; du, ein mächtiger Patrizier, liegst verwundet. Es geschah nicht durch unsere Schuld; dennoch fällt der Zorn des Gesetzes auf uns.“
    „Fürchtet keine Verfolgung“, entgegnete Vinicius. „Ich werde euch beschützen.“
    Crispus mochte ihm nicht sagen, daß es sich nicht nur um den Präfekten handelte, sondern daß sie ihm selbst kein Vertrauen entgegenbrachten. Ihre Absicht war, Lygia vor seiner Verfolgung sicherzustellen.
    „Herr“, antwortete er, „dein Arm ist in Ordnung. Hier liegen Wachstäfelchen und ein Griffel. Schreib deinen Sklaven, daß sie dich heute abend mit einer Sänfte abholen sollen. Dein Haus bietet dir größere Bequemlichkeit, als unsere Armut es kann. Wir wohnen hier bei einer armen Witwe, die bald mit ihrem Sohn zurückkehren wird. Der Knabe soll deinen Brief bestellen. Wir aber müssen ein anderes Versteck suchen.“
    Vinicius erblaßte. Er sah ein, daß man ihn von Lygia zu trennen wünschte und daß, wenn er sie jetzt verlöre, er ihr vielleicht nie mehr begegnen würde. Er erkannte klar, daß wichtige Umstände zwischen ihn und Lygia getreten waren, so daß,

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