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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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man unter das Bild dieser Schönheit „Frühling“ schreiben könnte. Unwillkürlich dachte er an Chrysothemis und mußte laut auflachen. Chrysothemis mit ihren goldgepuderten Haaren und geschwärzten Brauen erschien ihm wie ein verwelkter Rosenstrauch, dem die Blätter entfallen. Und Rom beneidete ihn um diese Chrysothemis. Dann rief er sich Poppäa ins Gedächtnis, und auch dieses berühmte Weib erschien ihm wie eine seelenlose Wachsfigur. In diesem Mädchen lag nicht nur der Frühling, sondern auch eine strahlende Seele, die den rosigen Leib gleich einer Flamme durchleuchtete.
    „Marcus hat recht“, dachte er, „meine Chrysothemis ist alt, alt wie Troja.“
    Gegen Pomponia Graecina sich wendend, deutete er auf den Garten und sagte:
    „Nun verstehe ich, Domina, warum ihr mit diesen beiden dies Haus dem Zirkus und den Festen auf dem Palatin vorzieht.“
    „Ja“, erwiderte sie, den Blick voller Liebe auf Lygia und Aulus hebend.
    Der alte Feldherr fing an, die Geschichte des Mädchens zu berichten, und erzählte, was er vor langen Jahren von Atelius Hister über das im dunklen Norden wohnende Volk der Lygier gehört hatte.
    Das Kleeblatt hatte zu spielen aufgehört und wandelte im Sande des Gartens auf und ab, vor dem dunklen Hintergrunde der Myrten und Zypressen wie drei weiße Statuen sich abhebend. Lygia führte den Knaben bei der Hand. Nach kurzer Zeit setzten sie sich auf eine Bank in der Nähe des die Mitte des Gartens bildenden Fischteiches. Aulus sprang bald weg, um die Fische zu necken, die in dem klaren Wasser sichtbar waren, während Marcus in dem begonnenen Gespräche fortfuhr.
    „Ja“, sagte er mit leiser, bebender Stimme, „ich hatte die Toga prätexta kaum abgelegt, als ich den Legionen in Asien zugeteilt wurde. Ich kannte Rom noch nicht und war unerfahren im Leben und in der Liebe. Einiges aus Anakreon und Horaz weiß ich zwar auswendig, aber ich kann nicht wie Petronius Verse zitieren, wenn das Herz stumm ist vor Bewunderung und keine Worte mehr findet. Als Knabe ging ich zu Musonius in den Unterricht; er lehrte mich, daß das Glück darin bestehe, den Willen der Götter zu tun, und somit in unserer Macht liege. Doch besteht es, glaube ich, in etwas anderem, was größer ist und kostbarer, was nicht vom Willen abhängt, da nur Liebe es verleihen kann. Die Götter selbst suchen nach diesem Glück, darum trete auch ich, Lygia, der ich Liebe bis jetzt nicht gekannt, in ihre Fußtapfen. Auch ich suche die, die mir dies Glück verleihen könnte.“
    Er schwieg, und längere Zeit hörte man nichts als das Plätschern des Wassers, in das der kleine Aulus Kiesel warf, um die Fische aufzuscheuchen. Nach einer Weile jedoch fuhr Marcus in noch sanfterem und leiserem Tone fort:
    „Du kennst doch Vespasians Sohn Titus? Man erzählt von ihm, daß ihn, kaum dem Knabenalter entwachsen, der Liebesschmerz um Berenike beinahe getötet hätte. So wäre auch ich zu lieben fähig, Lygia! Macht, Ruhm, Reichtum sind wesenloser Rauch! Der Reiche findet einen noch Reicheren, der Berühmte wird durch den Ruhm eines noch Größeren in den Schatten gestellt, den Starken wird der Stärkere besiegen. Kann dagegen der Cäsar selbst, ja, kann ein Gott größere Wonne empfinden oder glücklicher sein als der einfache Sterbliche in dem Augenblick, wenn an seinem Herzen ein anderes, geliebtes Herz schlägt, wenn er teure Lippen küßt? Darum macht die Liebe uns den Göttern gleich, o Lygia!“
    Erschrocken lauschte Lygia, als ob sie die Klänge einer griechischen Flöte oder der Cithara vernähme. Bald erschien es ihr, als sänge Marcus ein wunderschönes Lied, dessen Töne ihr Ohr berauschten, ihr Blut erregten und ihr Herz mit Bangen, aber auch mit unnennbarer Wonne erfüllten. Bald fühlte sie, daß Marcus von etwas sprach, was vorher schon in ihr gelegen und worüber sie keine Rechenschaft zu geben imstande war, daß er etwas in ihrem Inneren auferweckte, was bis jetzt geschlummert hatte, und daß in diesem Augenblick ein verschwommener Traum sich in eine immer klarere, schönere Gestalt verwandelte.
    Die Sonne stand längst über dem jenseitigen Ufer des Tibers und begann hinter dem Janiculus zu verschwinden. Das Abendrot beleuchtete die von keinem Hauch bewegten Zypressen, und die Luft war von einem rötlichen Schimmer erfüllt. Als ob sie vom Schlaf erwache, erhob Lygia die Augen zu Marcus empor, und er, der sich mit stummer Bitte zu ihr beugte, kam ihr plötzlich, im Glanz der Abendröte, schöner vor als alle

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