Quo Vadis
wegzunehmen, sie jetzt kaum im Kerker schmachten würde, und der zudem bestrebt war, das Spiel gegen Tigellinus zu gewinnen, sparte weder Zeit noch Mühen. Im Verlauf weniger Tage besuchte er Seneca, Domitius Afer, Crispinilla und Diodoros, durch den er auf Poppäa einzuwirken hoffte, besuchte Terpnos, den schönen Pythagoras und endlich Aliturus und Paris, dem der Cäsar in der Regel nichts abschlug. Mit Hilfe der Chrysothemis, die jetzt Vatinius’ Geliebte war, suchte er auch die Hilfe dieses Mannes zu gewinnen, wobei er es weder an Versprechungen noch an Geld fehlen ließ.
Doch alle Mühen waren fruchtlos. Seneca erklärte, wenn auch die Christen Rom nicht angezündet hätten, so müßten sie dennoch zum Besten der Stadt ausgerottet werden; er billigte das Blutbad aus politischen Gründen. Terpnos und Diodoros steckten wohl das Geld ein, taten aber nichts dafür. Vatinius verriet dem Cäsar, man habe ihn bestechen wollen. Aliturus allein, der zuerst ein Feind der Christen gewesen, fühlte nun Mitleid mit ihnen und fand den Mut, vor dem Cäsar das gefangene Mädchen zu erwähnen und Gnade zu erbitten. Alles was er erreichte, bestand in der Antwort:
„Glaubst du, ich besäße weniger Seelengröße als jener Brutus, der zum Besten Roms seine eigenen Söhne nicht verschonte?“
Als Petronius diese Antwort wiederholt wurde, sagte er:
„Wenn Nero sich mit Brutus verglichen hat, ist keine Rettung mehr zu hoffen.“
Er fürchtete, Vinicius könnte sich ein Leid antun. „Jetzt“, dachte er, „halten ihn noch die Anstrengungen aufrecht, die er zu Lygias Rettung auf sich nimmt; doch wenn alle Mittel versagen und der letzte Hoffnungsstrahl verschwunden ist, dann wird er sich ins Schwert stürzen.“ Petronius verstand sich besser darauf, so zu sterben, als wie Vinicius zu lieben und zu leiden.
Vinicius bot inzwischen alles auf, um Lygia zu retten. Er besuchte Augustianer, er, der einst so Stolze, bat um ihren Beistand. Durch Vitellius ließ er Tigellinus all seine sizilischen Güter anbieten, doch Tigellinus schlug es aus, um die Augusta nicht zu beleidigen. Sich vor den Cäsar hinwerfen und seine Knie umfangen konnte freilich zu keinem Erfolg führen. Vinicius war bereit dazu, doch Petronius, als er von seines Neffen Vorhaben erfuhr, fragte:
„Doch wenn er nein sagt oder mit einer schamlosen Drohung antwortet?“
Bei diesem Gedanken verzerrten sich die Züge des Vinicius vor Qual und Wut.
„Darum rate ich dir von diesem Vorhaben ab; du würdest dir nur jeden Rettungsweg abschneiden.“
Vinicius bezwang sich, fuhr mit der Hand über die mit kaltem Schweiß bedeckte Stirn und erwiderte:
„Nein, nein! Ich bin ein Christ.“
„Aber du wirst das vergessen, wie soeben. Du hast das Recht, dich zu vernichten, nicht aber sie. Bedenke, was die Tochter des Sejanus vor dem Tode ertragen mußte.“
Indem er so sprach, war er nicht vollkommen aufrichtig; denn ihm lag an Vinicius mehr als an Lygia. Aber er wußte keinen anderen Weg, um ihn von einem gefahrvollen Schritt abzuhalten, als den, ihm Lygias Verderben vor Augen zu halten. Zudem hatte er klug geraten; denn auf dem Palatin rechnete man auf Vinicius’ Besuch und traf Maßregeln.
Seine Qual war mehr, als ein Mensch zu tragen vermochte. Seit dem Augenblick, wo sich der Kerker hinter Lygia geschlossen hatte und die Glorie künftigen Märtyrertums sie umgab, liebte er sie noch inniger als zuvor und erwies ihr in seinem Herzen beinahe göttliche Verehrung. Und nun dieses geliebte, heilige Wesen verlieren zu müssen, zu denken, daß nicht nur Tod, sondern Martern, schrecklicher als der Tod, ihrer harrten! Seine Seele war ein beständiger Seufzer; seine Gedanken verwirrten sich. Bisweilen war es ihm, als sei sein Kopf voll flüssigen Feuers, das ihn entweder verbrennen oder zersprengen müsse. Er wußte nicht mehr, was vorging; er begriff nicht mehr, warum Christus, der Barmherzige, Göttliche, seinen Bekennern nicht zu Hilfe kam; warum die Mauern des Palatins nicht von der Erde verschlungen wurden und mit ihnen Nero, Augustianer, Prätorianer samt dieser ganzen Verbrecherstadt. Er glaubte, es würde und müßte so kommen, und alles, worüber sein Herz beinahe zerbrach, sei vielleicht nur ein böser Traum.
Allein das Brüllen der wilden Tiere, der Klang der Äxte, unter denen die Arena allmählich sich erhob, das Geheul des Volkes und die Überfüllung der Kerker bestätigten, daß es Wirklichkeit war.
Sein Glaube an Christus schwankte, und dieses Schwanken war
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