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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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will für sie beten. Sei jedoch eingedenk der Worte, die ich zu diesen Zweifelnden sprach, daß Gott selber durch die Qual des Kreuzes in seine Herrlichkeit einging, daß nach diesem Leben ein anderes beginnt, ein ewiges.“
    „Ich weiß es, ich habe es gehört“, entgegnete Vinicius, der blaß und nach Atem ringend dalag; „aber du siehst, Herr, ich kann nicht mehr. Wird Blut gefordert, so flehe zu Christus, meines anzunehmen; ich bin Soldat. Er möge die für sie bestimmte Qual an mir verdoppeln, verdreifachen; ich will sie leiden, nur sie soll verschont bleiben. Sie ist noch ein Kind, und er ist mächtiger als der Cäsar; ich glaube, daß er mächtiger ist. Du selber liebtest Lygia, du segnetest uns. Sie ist noch ein unschuldiges Kind!“
    Wieder beugte er sich nieder, lehnte sein Gesicht an Petrus’ Knie und wiederholte:
    „Du kanntest Christus, Herr, du kanntest ihn. Er wird auf dich hören! Stell dich auf ihre Seite!“
    Petrus schloß die Lider und betete mit tiefem Ernste. Wieder erhellte das Wetterleuchten den Himmel. Vinicius sah in seinem Lichte auf den Apostel; von seinen Lippen erwartete er das Urteil über Leben und Tod. Durch die Stille klang Wachtelruf im Weingarten und das einförmige, entfernte Geräusch der Tretmühlen in der Nähe der Via Salaria.
    „Vinicius“, fragte endlich der Apostel, „glaubst du?“
    „Würde ich hierhergekommen sein, wenn ich nicht glaubte?“ erwiderte Vinicius.
    „Dann glaube bis ans Ende, denn der Glaube kann Berge versetzen. Solltest du jenes Mädchen selbst unter dem Schwerte der Henker oder zwischen den Zähnen der Löwen sehen, so glaube dennoch, daß Christus es retten kann. Glaube und bete zu ihm, und ich will mit dir beten.“
    Nun erhob er die Augen zum Himmel und betete mit lauter Stimme:
    „O barmherziger Christus, sieh auf dies gequälte Herz und tröste es. O barmherziger Christus, mäßige den Sturm der Verfolgung um des Schwachen willen! O barmherziger Christus, der du den Vater batest, den bitteren Kelch an dir vorübergehen zu lassen, laß ihn an diesem deinem Diener vorübergehen! Amen!“
    Vinicius hob die Hände zum Sternenhimmel empor und stimmte seufzend ein:
    „Ich bin dein; nimm mich statt ihrer!“
    Der Himmel begann sich im Osten aufzuhellen.

LIV
    Vinicius begab sich mit erneuter Hoffnung nach dem Kerker. Zwar war die Verzweiflung in der Tiefe seiner Seele noch nicht ganz erloschen, doch er bemühte sich, auf diese Stimme nicht zu hören. Es schien ihm unmöglich, daß die Fürbitte des Statthalters Christi keine Erhörung finden sollte. Er getraute sich weder zu hoffen noch zu zweifeln. „Ich will an Christi Barmherzigkeit glauben, wenn ich auch Lygia im Rachen eines Löwen sehen müßte“, sprach er zu sich. Und er glaubte, obschon seine Seele bebte und kalter Schweiß seine Schläfen bedeckte. Jeder Herzschlag wurde ihm zum Gebet. Er begann einzusehen, daß der Glaube Berge versetzen könne, fühlte er nun doch selber eine Kraft, die vorher nie in ihm gewesen war. Es war ihm, als vermöchte er jetzt etwas zu tun, was gestern noch unmöglich erschien. Zuweilen war es ihm, als sei alles Schlimme bereits überwunden. Sooft Verzweiflung ihn zu fassen drohte, gedachte er jener Nacht und des greisen, zum Gebete himmelwärts gerichteten Antlitzes. „Nein, Christus wird seinen ersten Jünger, den Hirten seiner Herde, nicht unerhört lassen. Ich will glauben.“ Und er eilte als Herold guter Botschaft dem Kerker zu.
    Etwas Unerwartetes begegnete ihm dort.
    Alle Prätorianer, denen die Wache vor dem Mamertinischen Kerker oblag, kannten ihn und machten ihm in der Regel keine Schwierigkeiten. Diesmal aber öffnete sich ihre Reihe nicht, sondern ein Zenturio trat vor und sagte:
    „Verzeih, edler Herr! Wir haben heute Befehl, niemand einzulassen.“
    „Befehl?“ wiederholte Vinicius erblassend.
    Der Soldat blickte ihn mitleidig an und erwiderte:
    „Ja, Herr, Befehl des Cäsars. Es sind viele Kranke im Kerker, so daß man wohl fürchtet, Besucher möchten Krankheiten in die Stadt übertragen.“
    „Du sagtest aber, der Befehl sei für heute?“
    „Die Wache wird um Mittag abgelöst.“
    Vinicius setzte schweigend den Pileolus ab, denn die Kappe schien ihn wie Blei zu drücken.
    Der Zenturio trat näher und sagte mit gedämpfter Stimme:
    „Beruhige dich, Herr, der Wächter und Ursus schützen sie.“
    Damit verbeugte er sich und hatte im Nu mit seinem Schwerte auf den Steinfliesen die Form eines Fisches gezeichnet.
    Vinicius blickte

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