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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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hoch; die Leute strömten haufenweise durch den Clivus Argentarius dem Forum zu. Händler riefen ihre Waren aus, Wahrsager boten Vorübergehenden ihre Dienste an, Bürger eilten den Rostra zu, um Redner zu hören und Neuigkeiten auszutauschen. Als die Hitze zunahm, versammelten sich Scharen von Müßiggängern unter den Vorhallen der Tempel und verscheuchten von dort eine Menge Tauben, deren weiße Federn im Sonnenlicht glänzten, wenn sie in Schwärmen davonflogen.
    Hitze, Lärm und Müdigkeit übermannten Vinicius. Er schloß die Augen. Das eintönige Schreien Mora spielender Knaben und der gemessene Tritt der Wachen schläferten ihn ein. Eine Zeitlang kämpfte er dagegen, indem er den Blick auf das Gefängnis zu heften versuchte, endlich aber lehnte er sich an einen Stein, seufzte wie ein nach langem Weinen müdes Kind und schlief ein.
    Bald stellten sich Träume ein. Es war ihm, als trage er Lygia bei Nacht auf seinen Armen durch einen unbekannten Weinberg. Vor ihm erhellte Pomponia mit einer Lampe den Weg. Eine Stimme gleich der des Petronius rief hinter ihnen: „Komm zurück!“ Er achtete jedoch nicht auf diesen Ruf, sondern folgte Pomponia nach bis zu einer Hütte, auf deren Türschwelle die Gestalt des Apostels Petrus sichtbar war. Er zeigte Petrus seine Last und sagte:
    „Herr, wir kommen von der Arena und vermögen sie nicht aufzuwecken. Wecke du sie!“
    Und der Apostel antwortete:
    „Christus selbst wird kommen, um sie aufzuwecken.“
    Die Traumbilder wechselten. Er sah Nero und Poppäa. Sie hielt den kleinen Rufius in den Armen, während Petronius den blutenden Kopf des Kindes wusch; er sah Tigellinus Asche auf köstliche Gerichte streuen, worauf Vitellius diese Speisen gierig verschlang. Eine Menge Augustianer saßen an der Tafel. Er selber befand sich an der Seite Lygias. Zwischen den Tischen liefen Löwen umher, deren Mähnen von Blut trieften. Lygia bat ihn, er möge sie entfernen, allein er war so kraftlos, daß ihm jedes Glied versagte. Immer wirrer wurden die Bilder, bis endlich alles in Finsternis versank.
    Die Hitze und der Lärm auf dem Platze weckten Vinicius schließlich aus dem tiefen Schlaf. Er rieb sich die Augen, die Straße wimmelte von Menschen. Zwei Läufer in gelben Tuniken stießen die Menge mittels langer Stäbe beiseite, um einer kostbaren Sänfte den Weg zu bahnen. Sie wurde von vier kräftigen Ägyptern getragen.
    In der Sänfte saß ein Mann, in weiße Gewänder gehüllt. Sein Gesicht war nicht leicht erkennbar; denn er hatte eine Papyrusrolle nahe vor den Augen und las offenbar mit Aufmerksamkeit.
    „Platz für den edlen Augustianer!“ schrien die Läufer.
    Doch die Straße war so belebt, daß die Sänfte eine Weile halten mußte. Der Augustianer legte die Rolle weg, beugte sich hinaus und schrie:
    „Stoßt die Schufte weg. Vorwärts!“
    Plötzlich erblickte er Vinicius, zog eilig den Kopf zurück und verbarg sich hinter dem Papyrus.
    Vinicius fuhr mit der Hand über die Stirn, um sich zu überzeugen, daß er nicht träume.
    In der Sänfte saß Chilon.
    Inzwischen hatten die Läufer den Weg frei gemacht, und die ägyptischen Sklaven standen im Begriff weiterzugehen, als der junge Tribun, der auf einmal vieles bis jetzt Unverständliche begriff, an die Sänfte trat.
    „Sei gegrüßt, Chilon!“ sagte er.
    „Junger Mann“, erwiderte der Grieche stolz und vornehm, indem er sich bemühte, eine Ruhe zu zeigen, die er nicht besaß, „sei gegrüßt, doch halte mich nicht auf; denn ich muß zu meinem Freunde, dem edlen Tigellinus.“
    Vinicius hielt den Rand der Sänfte fest, blickte ihm forschend ins Auge und fragte mit leiser Stimme:
    „Hast du Lygia verraten?“
    „Koloß des Memnon!“ rief Chilon erschrocken.
    Allein es lag nichts Drohendes in Vinicius’ Augen, so daß die Angst des Alten nicht anhielt. Er wußte sich unter dem Schutze des Cäsars und des Präfekten, also unter dem Schutze einer Macht, vor der alle zitterten; er wußte sich von starken Sklaven umgeben und sah Vinicius unbewaffnet und abgehärmt vor sich stehen.
    Seine gewohnte Dreistigkeit kehrte zurück. Mit einem Blick auf Vinicius’ gerötete Augen flüsterte er:
    „Als ich vor Hunger sterben wollte, ließest du mich peitschen.“
    Schweigen folgte; endlich entgegnete Vinicius demütig:
    „Ich tat dir unrecht, Chilon.“
    Der Grieche schnalzte mit den Fingern, was in Rom Verachtung bedeutete. Laut, so daß alle Umstehenden es hören konnten, sagte er dann:
    „Mein Freund, wenn du eine

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