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Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller

Titel: Die dunkle Seite des Spiegels - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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P ROLOG
    A UGUST 2002
    Der Mann sitzt gegenüber seinem Spiegel und mustert ihn eingehend. Auge in Auge. Er sieht sich. Weder schön noch hässlich. Regelmäßige Züge. Ein Gesicht, das hätte ansprechend sein können. Dunkle Augen. Und doch hat der Mann Angst vor dem Spiegel und senkt den Blick. Er kommt auf sein Anliegen zurück. Er weiß um die Herausforderung und schätzt die kommenden Gefahren ab. Tausend Mal hat er über den völlig unsinnigen, von seinem Spiegel formulierten Vorschlag nachgedacht. Nichtsdestoweniger riskiert er es ein zweites Mal, die Frage zu stellen. Er hebt die Augen zu seinem Spiegel.
    »Ich verstehe, was in dir vorgeht«, sagt er ruhig. »Ich teile deine Gefühle, das weißt du. Aber bist du sicher, dass es gelingen wird?«
    »So sicher, wie zweimal zwei vier ist«, antwortet der Spiegel.
    »Hör zu, ich habe lange überlegt. So einfach ist das nicht. Es ist, als führtest du den Teufel in Versuchung. Du riskierst, alles zu verlieren.«
    »Die Formulierung gefällt mir!«, entgegnet der Spiegel und lächelt seltsam. »Vertrau mir. Es muss so getan werden.«
    Der Mann ist verärgert. Er will sein Gegenüber unbedingt überreden und spricht langsam und beschwörend.
    »Es ist keine Frage des Vertrauens, das weißt du ganz genau, auch wenn ich mich eine Zeitlang ebenso wie du danach gesehnt habe. Heute sehe ich dazu keine Notwendigkeit mehr. Viel Zeit ist vergangen. Wozu sollte es noch nützen? Die Probleme bleiben immer die gleichen.«
    Das Spiegelbild schwankt. Der Mann schließt die Augen, um den Schwindel zu unterdrücken, der sich nach und nach seiner bemächtigt.
    Zwar hofft er auf eine weitere Botschaft des Spiegels, hört sich jedoch mit kühler Stimme sagen:
    »Wir haben schon tausend Mal darüber gesprochen. Bis heute hat der Gedanke uns geleitet und uns Mut gemacht, wenn wir schwach wurden. Wir dürfen uns nicht erniedrigen lassen! Ich ertrage es nicht mehr, sie zu sehen.«
    Der Mann versenkt erneut den Blick in seinen Spiegel. Es ist nicht mehr der gleiche Blick und nicht mehr der gleiche Mann.
    »Wie du willst. Aber ich mache es auf meine Weise.«
    Der Mann kehrt dem Spiegel den Rücken zu und schluckt vier starke Tabletten, mit denen er den Kopfschmerz zu unterdrücken versucht, der ihm die Schläfen zu zermalmen beginnt. Der Schmerz, den er nur allzu gut kennt und vor dem ihm graust, wird ihn schon bald niederwerfen. Resigniert legt sich der Mann hin. Er erwartet den Schmerz, denn er weiß, dass die Tabletten die verheerenden Qualen des Anfalls allenfalls dämpfen können. Und dann schlägt die Pein zu – rasend, stechend, immer auf die gleiche Weise. Als ob die Spitze eines Bohrers in sein Trommelfell eindränge und gleichzeitig sein linkes Auge zerquetschte.

D ER M ANN

1
    E IN J AHR SPÄTER
    S ONNTAG , 3. A UGUST 2003
    Manchmal fragt man sich, wie ein Mörder wohl schlafen mag. Die Antwort ist ganz einfach. Ein Mörder schläft den Schlaf des Gerechten; für ihn stellt sich die Frage nicht.
    Der Mann schläft auf dem Rücken. Er ist spät eingeschlafen, erst gegen Morgen. Trotz seiner Müdigkeit nach der Arbeit fiel es ihm schwer, Schlaf zu finden; in Paris herrscht in diesen ersten Augusttagen eine erstickende Hitze. Bereits im Juni und Juli war es außergewöhnlich heiß gewesen. Der Mann hat das Fenster seines möblierten Zimmers geöffnet, um wenigstens ansatzweise so etwas wie Luft zu bekommen. Dafür ist es nun laut im Zimmer; er hört den Verkehrslärm und die Stimmen der Leute, die sich nach dem Besuch der wenigen auch nachts geöffneten Kneipen und Restaurants in seiner Straße noch laut unterhalten und lachen.
    Der Mann hat die Schlafstellung verändert. Er liegt zusammengerollt auf der linken Seite. Gegenüber seinem Bett befindet sich ein normaler Tisch, auf dem einige Dinge ohne Bedeutung sowie ein Karton mit halb geöffnetem Deckel stehen. In dem Karton sitzt eine Spinne, eine weibliche Vogelspinne mit einer Spannweite von etwa fünfzehn Zentimetern. Sie bewegt ihre schwarzen, haarigen Beine. Rasch zunächst, als wolle sie eine Betäubung abschütteln, dann tastet sie sich vorsichtig durch die Schachtel. Bald entdeckt sie die Öffnung, durch die ein wenig warme Luft in den Karton dringt. Innerhalb weniger Sekunden verlässt die Spinne die Pappschachtel. Der Deckel ist lautlos hinuntergeglitten. Die Vogelspinne sitzt reglos auf dem Tisch und nimmt ihre Umgebung wahr. Schließlich schiebt sie sich langsam vorwärts, erreicht den Tischrand und kriecht am

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