Quo Vadis
ihn forschend an.
„Und du bist Prätorianer?“
„Bis auch ich dort wohne“, antwortete er, nach dem Kerker deutend.
„Auch ich bete Christus an.“
„Sein Name sei gepriesen! Ich darf dich leider nicht einlassen, doch schreib einen Brief, so will ich ihn dem Wächter übergeben.“
„Hab Dank, Bruder.“
Vinicius drückte dem Zenturio die Hand und entfernte sich. Die Morgensonne beschien die Kerkermauern. Mit ihren Strahlen drang neue Zuversicht in sein Herz ein. Jener christliche Prätorianer war ihm ein Beweis der Allmacht Christi.
Nach einer Weile blieb er stehen, wandte den Blick zu den rosigen Wolken über dem Kapitol und zum Tempel des Jupiter Stator empor und sagte:
„Ich sah sie heute nicht, o Herr, doch ich vertraue auf dich.“
Zu Hause fand er Petronius, der wie gewöhnlich die Nacht in Tag umgewandelt hatte und vor kurzem heimgekehrt war. Eben hatte er sich gebadet und gesalbt, um schlafen zu gehen.
„Ich habe Neuigkeiten für dich“, rief er seinem Neffen zu. „Heute besuchte ich Tullius Senecio, bei dem auch der Cäsar war. Ich weiß nicht, warum Poppäa den kleinen Rufius mitnahm, wohl um des Cäsars Herz durch seine Schönheit zu besänftigen. Unglücklicherweise war das Kind müde und schlummerte ein, während Nero vorlas, gerade wie es einst Vespasian erging. Der Feuerbart bemerkte es und schleuderte einen Becher nach seinem Stiefsohn. Das Kind ist schwer verwundet, Poppäa wurde ohnmächtig; der Cäsar aber sagte laut, so daß es alle hörten: ‚Ich habe diese Brut satt.‘ Dies bedeutet Tod, wie du weißt.“
„Das Strafgericht Gottes hing über der Augusta“, antwortete Vinicius. „Doch weshalb erzählst du mir das?“
„Weil Poppäas Zorn dich und Lygia verfolgt. Mit ihrem eigenen Unglück beschäftigt, verzichtet sie vielleicht jetzt auf Rache und läßt sich leichter beeinflussen. Ich will sie diesen Abend besuchen.“
„Hab Dank. Du gibst mir Hoffnung.“
„Bade jetzt und geh dann zur Ruhe. Deine Lippen sind blau.“
„Ist der Tag des ersten Ludus matutinus noch nicht bestimmt?“ fragte Vinicius.
„In zehn Tagen soll er stattfinden. Doch kommen vor dem Mamertinischen andere Kerker an die Reihe. Je mehr wir Zeit gewinnen, um so besser. Noch ist nicht alles verloren.“
Allein er glaubte das selber nicht, denn seitdem der Cäsar dem Aliturus jene Antwort gegeben, worin er sich mit Brutus verglich, wußte Petronius, daß Lygia nicht zu retten sei. Auch verschwieg er mitleidig, daß der Cäsar und Tigellinus beschlossen hatten, die schönsten unter den christlichen Mädchen für sich auszuwählen, um sie vor der Marter zu schänden; die anderen sollten am Tage der Spiele Prätorianern und Tierhütern überlassen werden.
Petronius war überzeugt, Vinicius würde Lygia in keinem Falle überleben, darum bemühte er sich absichtlich, ihm Hoffnung einzuflößen, zunächst aus Zuneigung zu seinem Neffen, dann aber auch, weil er wünschte, daß Vinicius, wenn er doch sterben müßte, in Schönheit, aber nicht von Wachen und Schmerz abgehärmt und entstellt stürbe.
„Heute abend will ich ungefähr so zur Augusta sprechen“, sagte er. „ ,Rette Vinicius seine Lygia, so will ich dir Rufius retten.‘ Und ich werde Wort zu halten suchen. Ein Wort zum Feuerbart, im rechten Augenblick gesprochen, kann retten und verderben. Im schlimmsten Falle gewinnen wir Zeit.“
„Ich danke dir“, erwiderte Vinicius.
„Du dankst mir am besten durch Essen und Schlafen. Bei Athene! In den größten Gefahren dachte Odysseus an Speise und Schlaf. Du aber warst natürlich die ganze Nacht im Kerker?“
„Nein. Ich wollte diesen Morgen hingehen; allein die Wache hat Befehl, niemand einzulassen. Forsche nach, Petronius, ob der Befehl nur für heute oder bis zum Tag der Spiele gilt!“
„Ich werde mich heute erkundigen und dir morgen früh mitteilen, warum und für wie lange der Befehl gegeben wurde. Doch nun muß ich schlafen, und wenn auch Helios selber vor Trauer in die kimmerischen Regionen herabzusteigen im Begriffe wäre. Folge meinem Beispiel.“
Sie trennten sich. Vinicius aber begab sich in das Bücherzimmer und schrieb einen Brief an Lygia, den er darauf selber dem Zenturio überbrachte. Dieser trug ihn sogleich ins Gefängnis und kehrte bald mit einem Gruß Lygias zurück, wobei er versprach, ihre Antwort ihm heute noch zu überreichen.
Vinicius ging nicht nach Hause, sondern setzte sich auf einen Steinblock, um auf Lygias Brief zu warten. Die Sonne stand schon
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