Quo Vadis
nebst all der unerhörten Pracht, von der man sich in Rom Wunder erzählte, darüber konnte Lygia sich selber keine Rechenschaft geben. Aber daß Acte recht hatte, das fühlte Lygia deutlich. Sie mußte gehen, und da Notwendigkeit und Vernunft ihrem uneingestandenen Wunsch entgegenkamen, so zauderte sie nicht länger.
Acte führte sie in ihr eigenes Unctuarium, um sie zu salben und anzukleiden. Obgleich es in des Cäsars Hause nicht an Sklavinnen fehlte und Acte zu ihrem persönlichen Dienst genügend zur Verfügung hatte, entschloß sie sich doch, aus Liebe zu dem Mädchen, dessen Unschuld und Schönheit ihr Herz erobert hatten, es selber zu bedienen. Es war augenscheinlich, daß in Acte, der Griechin, trotz ihrer Traurigkeit und obwohl sie die Briefe des Paulus von Tarsus kannte, noch etwas vom alten hellenischen Geiste war, auf den körperliche Schönheit nachdrücklicher als sonst etwas wirkte. Acte konnte einen Ausruf der Bewunderung nicht unterdrücken beim Anblick der zugleich schlanken und vollen, wie aus Rosen und Perlen geschaffenen Gestalt; und indem sie einige Schritte zurücktrat, betrachtete sie mit Entzücken den unvergleichlichen Körper des Mädchens, der von einer Anmut war wie der Frühling selbst.
„Lygia“, sagte sie endlich, „du bist tausendmal schöner als Poppäa.“
Im Hause Pomponias erzogen, wo Bescheidenheit auch dann beobachtet wurde, wenn die Frauen unter sich waren, stand das Mädchen, traumhaft schön, herrlich wie ein Werk des Praxiteles, erschrocken und bescheiden errötend da. Schließlich erhob sie mit plötzlicher Bewegung die Arme, entfernte die zusammenhaltende Nadel und war im Nu in die reichen Wellen ihres Haares wie in einen Mantel gehüllt.
Acte näherte sich ihr und sagte, indem sie die dunklen Haarstränge berührte:
„Oh, welch schönes Haar du hast! Ich will keinen Goldstaub darauf streuen; es glänzt von selbst wie Gold. Nur hier und da will ich ein wenig Staub hinlegen, aber dünn, wie wenn ein Sonnenstrahl es aufgefrischt hätte. Deine lygische Heimat muß wundervoll sein, wenn solche Mädchen dort geboren werden.“
„Ich kann mich nicht daran erinnern“, antwortete Lygia; „aber Ursus sagte mir, bei uns daheim gäbe es nur Wald und Wald und wieder Wald.“
„Doch Blumen blühen in diesen Wäldern“, sagte Acte, ihre Hand in ein mit Verbenenöl gefülltes Gefäß tauchend und Lygias Haar damit befeuchtend. Danach salbte sie den Leib des Mädchens leicht mit wohlriechendem Öl aus Arabien und kleidete ihn dann in eine weiche, goldverbrämte Tunika ohne Ärmel, über die noch ein schneeweißer Peplos zu werfen war. Da sie jedoch zuerst das Haar zu ordnen hatte, zog sie Lygia inzwischen eine Art Hauskleid an, das man Synthesis hieß. In einem Armstuhl sich niederlassend, übergab sie das Mädchen auf eine Weile einer Sklavin, um aus einiger Entfernung dem Ordnen des Haares zuzuschauen. Zwei andere Sklavinnen zogen weiße, purpurgestickte Sandalen an Lygias Füße und befestigten diese mit goldenen, kreuzweise über die alabasterweißen Knöchel gezogenen Bändern. Als endlich das Haar in Ordnung war, warfen sie einen Peplos in schönen leichten Falten über das Mädchen; Acte schmückte den Hals mit Perlen, betupfte das Haar stellenweise mit Goldstaub und ließ sich nun selbst von den Sklavinnen herrichten, während sie mit entzückten Augen Lygia betrachtete.
Indes war sie bald fertig, und als die ersten Sänften vor dem Haupttor anhielten, betraten beide den seitlich gelegenen Kryptoportikus, von dem aus der Haupteingang, die inneren Galerien und der Hofraum, eingeschlossen von Säulenreihen aus numidischem Marmor, zu überblicken waren.
In immer größeren Scharen traten die Gäste unter die hohen Bogen der Eingangshalle, über der herrliche Quadrigen, ein Werk des Lysias, Apollo und Diana in die blaue Luft emporzutragen schienen.
Lygias Blicke hingen staunend an dieser Pracht, von der sie in dem bescheidenen Hause des Aulus keine Ahnung gehabt hatte. Eben ging die Sonne unter, indem sie die letzten Strahlen auf den gelblichen numidischen Marmor der Säulen sandte, der bald golden, bald rosenrot schimmerte. Zwischen den Säulen, an den weißen Statuen der Danaiden, der Götter und Heroen vorbei, strömten Männer und Frauen in hellen Scharen, die gleichfalls wie Statuen aussahen; denn sie waren in Togen, Peplen und Mäntel gehüllt, die anmutig in weichen Falten bis auf den Boden reichten und die letzten ersterbenden Strahlen der Sonne auffingen.
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