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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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und wünschte, gut zu sein. Ich weiß das am besten. Erst später hat er sich gewandelt, nämlich als er zu lieben aufhörte. Andere haben ihn zu dem gemacht, was er jetzt ist, ja, andere – und Poppäa.“
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Lygias Blicke folgten ihr eine Zeitlang, dann fragte das Mädchen:
    „Tut es dir leid um ihn?“
    „Es tut mir leid um ihn“, antwortete die Griechin leise.
    Und wieder wandelte sie auf und ab, die Hände zusammengefügt wie vor Schmerz.
    „Liebst du ihn noch?“ fragte Lygia furchtsam.
    „Ich liebe ihn.“
    Nach einer Weile fügte sie hinzu:
    „Niemand außer mir liebt ihn.“
    Sie schwiegen. Acte bemühte sich, ihre Ruhe wiederzuerlangen, die durch die Erinnerungen erschüttert war. Als ihr Angesicht wieder den gewohnten Ausdruck stillen Kummers trug, sagte sie:
    „Laß uns von dir sprechen, Lygia. Der bloße Gedanke an Widerstand wäre Wahnsinn. Und sei beruhigt. Ich kenne dieses Haus sehr wohl und bin überzeugt, daß dir von Seiten Neros nichts droht. Hätte er dich für sich wegführen lassen, so wärest du nicht hierhergebracht worden. Hier herrscht Poppäa, besonders seitdem sie Nero eine Tochter gebar. Zwar hat er deine Teilnahme am Gelage befohlen, aber er hat dich noch gar nicht gesehen, nicht nach dir gefragt und bekümmert sich folglich nicht um dich. Vielleicht hat er dich Aulus und Pomponia nur aus Zorn über diese beiden weggenommen. Petronius schrieb mir, ich solle dich unter meine Obhut nehmen; auch Pomponia verlangte dies, und so ist es möglich, daß sie im Einverständnis miteinander handelten. Vielleicht auch tat Petronius das auf Ansuchen Pomponias hin. Wenn dies der Fall ist, so droht dir nichts, und wer weiß, ob nicht Nero auf Petronius’ Fürsprache hin dich zurückgibt? Ich weiß zwar nicht, ob Nero ihn besonders liebt, aber das weiß ich, daß der Cäsar selten den Mut hat, anderer Meinung zu sein.“
    „Ach, Acte“, war Lygias Antwort, „Petronius war bei uns, bevor man mich wegholte, und die Pflegemutter ist überzeugt, daß Nero meine Auslieferung auf sein Anstiften hin verlangte.“
    „Das wäre schlimm“, sagte die Griechin. Sie hielt einen Augenblick inne und fuhr dann fort:
    „Petronius erwähnte vielleicht bloß in Neros Gegenwart, er habe bei Aulus eine lygische Geisel gesehen, worauf dann Nero, eifersüchtig auf seine eigene Macht, dich nur deswegen forderte, weil Geiseln dem Cäsar gehören. Aber er liebt weder Aulus noch Pomponia. Nein, ich glaube nicht, daß Petronius, falls er dich von Aulus wegnehmen wollte, diesen Weg eingeschlagen hätte. Ob er besser als die anderen Höflinge ist, weiß ich nicht; sicherlich ist er nicht wie alle anderen. Möglicherweise wirst du irgendeinen anderen finden, der für dich eintreten würde. Sahst du bei Aulus niemand, der Nero nahe steht?“
    „Ich habe Vespasian und Titus gesehen.“
    „Diesen ist der Cäsar nicht freundlich gesinnt.“
    „Und Seneca.“
    „Ein Rat von Seneca würde für Nero Grund genug sein, gerade das Gegenteil zu tun.“
    Lygias Antlitz überflog eine Röte.
    „Und Marcus Vinicius.“
    „Den kenne ich nicht.“
    „Er ist verwandt mit Petronius und kehrte erst vor kurzem aus Armenien zurück.“
    „Weißt du, ob ihn Nero gern hat?“
    „Jedermann hat ihn gern.“
    „Und würde er für dich eintreten?“
    „Ja.“
    Acte lächelte sanft und sprach: „Dann wirst du ihn sicherlich beim Feste finden. Du mußt teilnehmen, erstens, weil du mußt – nur ein Kind, wie du eines bist, kann anders denken. Zweitens, wenn es dein Wunsch ist, in Aulus’ Haus zurückzukehren, so mußt du Mittel finden, Petronius und Marcus Vinicius zu bitten, ihren Einfluß für dich geltend zu machen. Wären sie jetzt hier, so würden beide das gleiche sagen wie ich, daß Widerstand wahnsinnig sei und Verderben bedeute. Der Cäsar würde vielleicht deine Abwesenheit nicht bemerken; doch wenn er sie gewahr würde und auf den Gedanken käme, daß du tollkühn seinem Befehl dich widersetztest, dann gäbe es keine Rettung für dich. Geh, Lygia. Hörst du den Lärm im Palaste? Die Sonne wird bald untergehen, und die Gäste können jeden Augenblick eintreffen.“
    „Du hast recht“, antwortete das Mädchen, „ich will deinem Rat folgen.“
    Wieviel der Wunsch, Marcus und Petronius zu finden, bei ihrem Entschluß ausschlaggebend war, wieviel die weibliche Neugierde, einmal ein solches Gastmahl und dabei den Cäsar, den Hof, die berüchtigte Poppäa und andere Schönheiten zu sehen,

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