Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
Vom Netzwerk:
Acte gebeugt, als sie noch Neros Geliebte war. Schon damals zeigte sie wenig Lust, sich in Staatsgeschäfte zu mischen, und wenn sie ihren Einfluß auf den jungen Herrscher wirklich einmal geltend machte, so geschah es, um Gnade für jemand zu erbitten. Ruhig und anspruchslos, wie sie war, gewann sie die Dankbarkeit mancher, ohne sich die Feindschaft irgendeines Menschen zuzuziehen. Selbst Octavia war nicht fähig, sie zu hassen. Ihren Neidern erschien sie äußerst harmlos. Man wußte, daß sie fortfuhr, Nero eine trauernde, schmerzliche Liebe zu bewahren, die nicht von Hoffnung, sondern von der Erinnerung jener Tage lebte, da dieser Nero nicht nur jünger, sondern auch besser gewesen. Es war bekannt, daß sie ihre Gedanken und ihre Seele von diesen Erinnerungen nicht loszulösen vermochte, aber auch keine Hoffnung nährte. Da jede Befürchtung ausgeschlossen war, Nero könnte zu ihr zurückkehren, so sah man sie als eine durchaus ungefährliche Person an und ließ sie in Frieden. Poppäa betrachtete sie bloß als ruhige Dienerin, die so unschädlich war, daß sie sie nicht einmal aus dem Palaste zu entfernen versuchte.
    Da der Cäsar sie einst geliebt und sie ohne äußere Kränkung, vielmehr in einer gewissen freundlichen Weise hatte fallenlassen, so wurde ihr einige Ehrerbietung bewahrt. Nero ließ, nachdem er sie freigegeben, sie im Palast verbleiben und wies ihr eigene Gemächer mit genügender Dienerschaft an. Wie Pallas und Narcissus, Freigelassene des Claudius, nicht nur an Gelagen dieses Cäsars teilnahmen, sondern sogar wichtige Ministerstellen innehatten, so wurde auch Acte bisweilen zu Neros Tische geladen. Dies geschah vielleicht darum, weil ihre Schönheit dem Feste zur Zierde diente; denn in bezug auf die Auswahl seiner Tischgesellschaft hatte Nero längst aufgehört, wählerisch zu sein. An seiner Tafel fand sich ein buntes Durcheinander von Leuten jeglichen Ranges und Berufes. Senatoren waren da, aber hauptsächlich solche, die eben gern das Amt eines Hofnarren versahen. Patrizier nahmen teil, junge wie alte, nach Trunk und Genuß begierig. Auch Frauen hohen Standes kamen, die keinen Anstand nahmen, für einen Abend die blonde Perücke zu tragen und in dunklen Straßen Abenteuer zu suchen um des Vergnügens willen. Ferner waren auch hohe Beamte darunter und Priester, bereit, bei vollem Becher ihre eigenen Götter zu verhöhnen. Außer diesen fand sich eine ganze Bande von Sängern, Mimen, Musikanten, Tänzern und Tänzerinnen ein, ferner Poeten, die, während sie ihre Verse deklamierten, an die Sesterze dachten, die ihnen dafür zufallen würden, daß sie Neros Verse priesen. Hungrige Philosophen verfolgten die Schüsseln mit gierigen Blicken. Vervollständigt wurde die Sippe durch berühmte Wagenlenker, Gaukler, Wundertäter, Märchenerzähler, Narren und die verschiedensten Abenteurer, die durch die Mode oder ihre Tollheit zu kurz dauernder Berühmtheit gelangt waren. Unter ihnen fehlten sogar Menschen nicht, die mit langen Haaren ihre durchlöcherten Ohrläppchen, das Zeichen des Sklaventums, zu verbergen suchten.
    Die vornehmen Gäste saßen schon an der Tafel, während die geringeren für Belustigung sorgten und den Augenblick erwarteten, wo die Aufwärter ihnen gestatten würden, über die Überbleibsel von Speise und Trank sich herzumachen. Für Gäste dieser Sorte sorgten Tigellinus, Vatinius und Vitellius, die mehr als einmal gezwungen waren, sie auch mit anständigen, dem Hof entsprechenden Gewändern auszustatten; der Cäsar liebte jedoch ihre Gesellschaft, weil er sich darin sehr frei fühlte. Der Prunk des Hofes übergoldete alles, bedeckte alles mit flimmerndem Glanz. Hoch und Nieder, Nachkommen hoher Häuser und Leute, deren Heimat das Straßenpflaster Roms war, große Künstler und armselige Talente drängten sich in den Palast, um ihre geblendeten Augen an dem fast über menschliches Begreifen hinausgehenden Glanz zu laben und dem Geber jeder Gunst und jedes Reichtums nahe zu sein, dessen bloße Launen tief erniedrigen, doch auch über alle Maßen erhöhen konnten.
    Diesmal hatte auch Lygia an solch einem Gelage teilzunehmen. Furcht, Ungewißheit und ein Gefühl von Schwindel, das nach so plötzlichem Wechsel leicht erklärlich war, kämpften in ihr mit dem Wunsche, sich zu widersetzen. Sie fürchtete Nero, den Palast, dessen Lärm ihren Sinn verwirrte, die Gelage, über deren Schamlosigkeit sie durch Aulus, Pomponia und deren Freunde hinreichend unterrichtet war. Obwohl jung, war

Weitere Kostenlose Bücher