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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Bist du ein Christ geworden?“
    „Seit gestern, Herr, seit gestern! Der Fisch machte mich zum Christen. Sieh nur, was für eine Macht darin verborgen liegt. In einigen Tagen werde ich der Eifrigste der Eifrigen sein, damit sie mich in alle ihre Geheimnisse einweihen. Ist dies geschehen, werde ich das Versteck des Mädchens erfahren. Vielleicht lohnt sich mir mein Christentum besser als meine Philosophie. Ich habe auch dem Mercurius ein Gelübde getan; wenn er mir hilft, das Mädchen aufzufinden, werde ich ihm zwei Kälber von gleicher Größe und Farbe mit vergoldeten Hörnern opfern.“
    „Demnach erlaubt dir dein Christentum von gestern und deine Philosophie von lange her, an Mercurius zu glauben?“
    „Ich glaube immer an das, was mir gerade nützlich ist; das ist meine Philosophie, die auch Mercurius gefallen soll. Unglücklicherweise (ihr wißt, werte Herren, was für ein argwöhnischer Gott er ist) traut er nicht einmal den Versprechungen tadelloser Philosophen und möchte die beiden Kälber lieber schon im voraus haben; indes – das ist eine Riesenausgabe. Nicht jeder ist ein Seneca, und ich habe nicht die Mittel für das Opfer. Sollte jedoch der edle Vinicius wünschen, etwas zu geben, vielleicht von der versprochenen Summe …“
    „Nicht einen Obolus, Chilon“, sagte Petronius, „nicht einen Obolus. Die Freigebigkeit des Vinicius wird deine Erwartungen übertreffen, aber erst, wenn Lygia gefunden ist – das heißt, sobald du uns ihr Versteck bezeichnen kannst. Mercurius muß dir, was die beiden Kühe betrifft, vertrauen, obwohl ich gerade nicht erstaunt darüber bin, daß er dazu wenig Lust hat. Darin erkenne ich seinen Scharfsinn.“
    „Höret mich, würdige Herren! Die von mir gemachte Entdeckung ist bedeutend, denn fand ich auch das Mädchen selbst noch nicht, so weiß ich doch den Weg, auf dem es gesucht werden muß. Ihr habt Freigelassene und Sklaven durch Stadt und Land gesandt; hat einer von ihnen auch nur eine Spur gefunden? Nein. Mir allein ist es gelungen. Noch mehr! Unter euren Sklaven mögen Christen sein, ohne daß ihr davon Kenntnis habt; denn dieser Aberglaube ist im geheimen verbreitet. Es ist darum nicht gut, daß sie mich hier sehen. Gebiete, edler Petronius, Eunike Stillschweigen; und du, edler Vinicius, gib vor, ich verkaufte dir eine Salbe, die den damit bestrichenen Pferden im Zirkus den Sieg sichert: Ich allein will nach dem Mädchen forschen, und, obwohl ich nur eine vollständige Hand besitze, die Flüchtigen finden. Vertraut mir und wisset, daß, was immer ihr als Vorschuß leistet, für mich nur eine Ermutigung ist; denn ich hoffe auf noch mehr und werde dann nur um so sicherer darauf rechnen, daß die versprochene Belohnung nicht ausbleibt. Als Philosoph verachte ich das Geld, obwohl weder Seneca noch Musonius oder Cornutus ein gleiches taten, obwohl sie keinen Finger bei fremder Verteidigung verloren hatten, darum selber schreiben und ihre Namen der Nachwelt hinterlassen konnten. Aber außer dem Sklaven, den ich kaufen will, außer dem Mercurius, dem ich die Kälber versprochen – und ihr wißt, wie teuer das Vieh jetzt geworden ist –, veranlaßt die Nachforschung selbst viele Auslagen. Hört mich noch weiter an! Die letzten Tage wurden meine Füße von dem beständigen Gehen wund. Ich habe Weinschenken besucht, Bäckereien, Fleischerläden, Ölhändler und Fischer, um mit den Leuten zu reden. Ich bin durch alle Straßen und Gassen gewandert, ich war in den Verstecken flüchtiger Sklaven, habe Geld verloren, fast hundert As, beim Moraspiel, ich bin in Waschhäusern gewesen, in Trockenhütten, in Volksküchen, ich habe Eseltreiber und Bildschnitzer aufgesucht, ich war bei Quacksalbern, bei Leuten, die Zähne ausziehen, ich habe mit Händlern getrockneter Feigen geschwatzt, ich war an den Begräbnisplätzen; und wißt ihr, warum? Um überall einen Fisch zu skizzieren und dabei den Leuten ins Auge zu blicken und zu hören, was sie zu diesem Zeichen sagen würden. Lange konnte ich nichts darüber erfahren, bis ich endlich einen alten Sklaven bei einem Brunnen sah. Er schöpfte Wasser mit einem Eimer und weinte. Ich näherte mich ihm und fragte ihn nach der Ursache seiner Tränen. Nachdem wir uns auf den Stufen des Brunnens niedergelassen hatten, erzählte er, daß er sein ganzes Leben Sesterz um Sesterz zurückgelegt habe, um seinen lieben Sohn loszukaufen; aber dessen Herr, ein gewisser Pansa, habe wohl das dargebotene Geld genommen, den Sohn aber als Sklaven behalten.

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