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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Folgen zu verhindern.
    Er kannte Nero und wußte, daß dieser dem Zauber keinen Glauben beimaß, aber doch möglicherweise solchen erheucheln könnte, um seinem Schmerz etwas Augenfälliges zu geben und an irgend jemand Rache zu nehmen. Er konnte sich so auch dem Verdachts entziehen, die Götter hätten begonnen, seine Verbrechen zu bestrafen. Petronius konnte es sich nicht denken, daß der Cäsar selbst sein eigenes Kind wirklich und innig zu lieben fähig sei; er fühlte, daß sein Schmerz übertrieben war, und er täuschte sich nicht. Nero hörte mit unbeweglichen Zügen und starren Augen auf die Beileidsbezeigungen der Ritter und Senatoren. Es war augenscheinlich, daß er, wenn er schon litt, beobachten wollte, was für einen Eindruck sein Schmerz auf andere machen würde. Er benahm sich wie Niobe und spielte den Schmerz eines Vaters genau so, wie dies ein Schauspieler auf der Bühne tut. Aber er blieb nicht dabei, in seinem schweigenden, sozusagen versteinerten Kummer auszuharren; denn zuweilen machte er eine Bewegung, als wolle er den Staub der Erde auf sein Haupt werfen, zuweilen seufzte er tief. Als er aber Petronius sah, sprang er auf und rief mit tragischer Stimme, so daß alle Anwesenden ihn hören konnten:
    „Ach! Und du bist an ihrem Tode schuldig! Auf deinen Rat betrat der böse Geist diese Mauern – jener böse Geist, der mit einem Blick das Leben aus ihrer Brust sog. Wehe mir! Hätten doch meine Augen das Licht des Helios nie gesehen! Wehe mir! Ach, ach!“
    Seine Stimme verstärkte sich noch und ging in ein verzweiflungsvolles Schreien über. Aber Petronius beschloß, daß in diesem Augenblick die Würfel fallen sollten; er streckte seine Hand aus, ergriff das seidene Tuch, das Nero stets um den Hals zu tragen pflegte, hielt dem Imperator damit den Mund zu und sprach feierlich:
    „Herr, vernichte in deinem Schmerz Rom, vernichte die ganze Welt, aber erhalte uns deine Stimme!“
    Die Anwesenden waren erstaunt, Nero selber war es für einen Augenblick, Petronius allein blieb unbewegt; er wußte zu gut, was er tat. Zudem erinnerte er sich, daß Terpnos und Diodoros direkten Befehl erhalten hatten, des Cäsars Mund zu schließen, wann immer er die Stimme zu sehr anstrengen und diese damit einer Gefahr aussetzen würde.
    „O Cäsar“, fuhr er mit demselben Ernste und demselben Kummer fort, „wir haben einen unermeßlichen Verlust erlitten; laß doch diesen Schatz als Trost uns bleiben.“
    Neros Gesichtsmuskeln zitterten, und Tränen traten aus seinen Augen. Er legte seine Hände auf die Schultern des Petronius, ließ sein Haupt an dessen Brust sinken und begann unter Seufzen zu wiederholen:
    „Du allein von allen dachtest daran, du allein, o Petronius! Du allein!“
    Tigellinus wurde gelb vor Neid; aber Petronius fuhr fort:
    „Geh nach Antium, dort kam sie zur Welt, dort strömte die Freude in dich ein, dort wird dir Trost kommen! Laß die Seeluft deine göttliche Kehle erfrischen; laß deine Brust die salzige Feuchte einatmen. Wir, deine Ergebenen, wollen dir überallhin folgen; und wenn wir deinen Schmerz mit Freundschaft sänftigen, wirst du uns mit Gesang trösten.“
    „Wahr“, antwortete Nero traurig; „ich will eine Hymne zu ihrer Ehre dichten und sie komponieren.“
    „Zudem wirst du die warme Sonne in Bajae finden.“
    „Und danach – Vergessenheit in Griechenland!“
    „Der Heimat von Dichtung und Gesang.“
    Und der starre, düstere Zustand seines Geistes wich allmählich wie Wolken, die die Sonne verdeckt hatten. Eine Unterhaltung begann, die, obwohl voller Trauer, doch auch voll von Zukunftsplänen war: Man sprach von einer Reise, von Kunstausstellungen, sogar von den Empfangsfeierlichkeiten, die die sichere Ankunft des Tiridates, Königs von Armenien, nötig machte. Tigellinus versuchte, den Glauben an den Zauber festzuhalten; aber Petronius, des Sieges gewiß, nahm die Herausforderung sofort auf.
    „Tigellinus“, sagte er, „glaubst du, daß der Zauber die Götter beleidigen kann?“
    „Der Cäsar selber hat davon gesprochen“, antwortete der Höfling.
    „Der Schmerz sprach, nicht der Cäsar; aber du, was für eine Meinung hast du von der Sache?“
    „Die Götter sind zu mächtig, um unter dem Zauber zu stehen.“
    „Möchtest du dem Cäsar und seiner Familie die Göttlichkeit absprechen?“
    „Peractum est!“ murmelte Eprius Marcellus, der in der Nähe stand, damit den Ausruf wiederholend, den das Volk tat, wenn der Gladiator in der Arena einen Schlag erhielt,

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