Quo Vadis
Hercules bis zu den Grenzen der Arsakiden!“
„Gruß dir, Gesetzgeber der Tugend und der Weisheit“, antwortete Petronius.
Vinicius aber fragte mit erkünstelter Ruhe: „Was bringst du?“
„Als ich das erstemal kam, o Herr, brachte ich Hoffnung, diesmal Gewißheit, daß das Mädchen gefunden wird.“
„Das heißt, du hast sie noch nicht gefunden.“
„Richtig, Herr, aber ich habe gefunden, was jener Fisch bedeutet, den sie dir in den Sand zeichnete. Ich weiß, wer die Leute sind, die sie befreiten, und ich kenne den Gott, unter dessen Verehrern sie zu suchen ist.“
Vinicius wäre am liebsten von seinem Sitz aufgesprungen; aber Petronius legte die Hand auf seine Schulter und sagte zu Chilon:
„Fahre fort!“
„Bist du vollkommen sicher, Herr, daß sie einen Fisch in den Sand zeichnete?“
„Ja“, stieß Vinicius hervor.
„Dann ist sie eine Christin, und die Christen entführten sie.“
Ein Augenblick der Stille folgte.
„Höre, Chilon“, sagte Petronius, „mein Verwandter hat dir eine beträchtliche Summe für die Auffindung des Mädchens bestimmt, aber keine geringere Zahl Peitschenhiebe, wenn du ihn betrügst. Im ersten Falle kannst du dir nicht einen, sondern drei Schreiber kaufen, im zweiten wird dir die Philosophie aller sieben Weisen und deine eigene dazu nicht als schmerzlindernde Salbe genügen.“
„Das Mädchen ist eine Christin, Herr“, rief der Grieche.
„Höre, Chilon! Du bist kein Schwachkopf. Wir wissen, daß Julia und Calvia Crispinilla die Pomponia Graecina des christlichen Aberglaubens anklagten; aber wir wissen auch, daß ein häuslicher Gerichtshof sie freisprach. Möchtest du das aufs neue behaupten? Möchtest du uns überzeugen, daß Pomponia und mit ihr Lygia den Feinden des menschlichen Geschlechtes angehören könnten, den Vergittern der Quellen und Brunnen, den Verehrern eines Eselskopfes, Leuten, die ihre Kinder morden und sich den schmutzigsten Ausschweifungen hingeben? Bedenke, Chilon, ob die uns mitgeteilte These nicht am Ende als Antithese auf deinen Rücken zurückprallt.“
Chilon streckte seine Arme aus zum Zeichen, daß er sich keines Betruges schuldig mache, und sagte dann:
„Herr, sprich folgende Worte griechisch aus: Jesus Christus, Sohn Gottes, Erlöser!“
„Gut, ich habe sie ausgesprochen: Was soll’s damit?“
„Nimm nun den ersten Buchstaben von jedem Worte und setze sie zusammen.“
„Fisch“, sagte Petronius erstaunt.
„Sieh, darum ist das griechische Wort Ichthys, Fisch, das Losungswort der Christen geworden“, sprach Chilon stolz.
Wieder folgte ein Augenblick der Stille. Es lag etwas so Schlagendes in den Schlüssen des Griechen, daß die zwei Freunde sich der Verwunderung nicht erwehren konnten.
„Vinicius, täuschst du dich nicht?“ fragte Petronius. „Zeichnete Lygia wirklich einen Fisch für dich?“
„Bei allen Göttern der Hölle, man könnte toll werden!“ rief der junge Mann erregt. „Wenn sie mir einen Vogel gezeichnet hätte, würde ich gesagt haben ‚einen Vogel‘.“
„Also, sie ist eine Christin!“ wiederholte Chilon.
„Das heißt“, sagte Petronius, „Pomponia und Lygia vergiften die Quellen, ermorden von der Straße gefangene Kinder, geben sich einem ausschweifenden Leben hin! Narrheit! Du, Vinicius, weiltest längere Zeit bei ihnen als ich; aber ich kenne Pomponia und Aulus, selbst Lygia, schon genug, daß ich behaupten kann, diese deine Aussage ist widernatürlich und närrisch. Wenn ein Fisch das Symbol der Christen ist, was schwer geleugnet werden kann, und diese Frauen Christinnen sind, dann, bei Proserpina, sind die Christen nicht das, wofür wir sie halten.“
„Du sprichst wie Sokrates, Herr“, erwiderte Chilon. „Wer hat je einen Christen verhört? Wer hat ihre Religion studiert? Als ich vor drei Jahren von Neapel hierher reiste nach Rom (o warum blieb ich nicht in Neapel!), gesellte sich ein Mann namens Glaukos zu mir, von dem die Leute sagten, er sei ein Christ, trotzdem aber überzeugte ich mich, daß er gut und tugendhaft war.“
„Hast du von diesem tugendhaften Manne erfahren, was der Fisch bedeutet?“
„Unglücklicherweise, Herr, stieß ein Unbekannter in einer Herberge den ehrenwerten Alten mit einem Messer nieder, während Weib und Kind durch Sklavenhändler fortgeführt wurden. Bei deren Verteidigung verlor ich diese zwei Finger; da es, wie die Leute sagen, bei den Christen nie an Wundern fehlt, so hoffe ich, daß die Finger wieder wachsen.“
„Was sagst du da?
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