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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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sehr ich mir wünschte, diese Vorstellung wäre real! Ich war himmelweit davon entfernt.
    Verletzt und allein, ohne meinen Schwarm, meine Gefährten, war ich gefesselt in einer Welt, die mir in den letzten Jahren fremd geworden war. Die ich nicht betreten hatte, weil die Erinnerung daran mich abstieß.
    Da - ich konnte ihre Schritte hören. Ihre Turnschuhe quietschten auf dem frisch gebohnerten Linoleum, und das Geräusch schmerzte mir in den Ohren, weil ich immer noch zu empfindlich war.
    »Guten Morgen, Fremder!« Sie war unverkennbar guter Laune, darauf musste ich reagieren, am besten mit einem Lächeln. Nicht übertrieben, eher zurückhaltend. Ich lächelte also.
    »Es scheint Ihnen ja viel besser zu gehen.«
    Ein Atemhauch nach kalter Asche traf meine Nase, und ich schloss kurz die Augen.
    »Mal sehen, ob das Fieber heruntergegangen ist. Schon erstaunlich, was Ihr Körper alles aushalten kann.« Sie steckte ein Plastikhäubchen auf das Thermometer und hielt das Messgerät in meinen Gehörgang. Das Brummen, für sie wahrscheinlich unhörbar, dröhnte in meinem Kopf. Dann ein lauter Piepton. Ich hatte ihn erwartet und zuckte deshalb auch nicht zusammen.
    »Sechsunddreißig acht!«, sagte sie. Über ihrer Oberlippe prangte ein starker Damenbart. »Wenn Sie mir heute Ihren Namen verraten, zeige ich Ihnen gleich Ihr neues Apartment.«
    »Alexej«, krächzte ich und räusperte mich sofort. Es überraschte mich, wie tief meine Stimme war.
    »Alexej. Na, das ist ja schon mal was. Ich bin Schwester Tereza.« Ihre Stimme war rau aber sehr mütterlich. »Sie haben uns alle ganz schön ins Schwitzen gebracht. Seltsame Geschichte mit Ihrer Blutgruppe.« Sie schüttelte den Kopf. Ihre rot gefärbten Haare rochen wie eine parfümierte Kneipe. Eine Mischung aus Haarspray, Zigarettenqualm und abgestandener Luft.
    » Alexej also. Und wie weiter?«  
    Ich überlegte angestrengt. Meinen richtigen Namen konnte ich ihr unmöglich sagen, das Risiko war einfach zu groß.
    »Nepovím«, antwortete ich. Ein Name, der in Tschechien nicht unüblich war, aber den Humor von Schwester Tereza traf. Sie lachte kehlig.
    »Wie Sie wollen, Herr Sag-ich-nicht . Ich bringe Sie jetzt ins Bad. Wäre doch gelacht, wenn ich Sie nicht mobilisiert bekäme, wo Sie schon wieder witzig sein können.«  
    Sie versuchte, mich zum Aufstehen zu bewegen. Ich wollte ihr den Gefallen gern tun, ein flügellahmer Rabe war schließlich zu nichts nütze. Aber meine Beine gehorchten nicht. Ich war zu schwach. Mein linker Arm hing an mir herab wie ein abgeknickter Zweig.
    »Nach oben sehen!«, befahl sie, als ich hilflos die Augen verdrehte. »Und das Atmen nicht vergessen! Tief durchatmen! Sie schaffen das schon!«
    Ihr Arm stützte mich. Bloß ein Bein vor das andere setzen. Das ist längst nicht so schwer wie dein erster Flug! In Erinnerung an dieses einprägsame Erlebnis biss ich die Zähne zusammen und ein stechender Schmerz durchfuhr meinen Arm.  
    Gut so. Schmerzen waren mir allemal lieber als diese Taubheit, die sie mit ihren Drogen in mich hineingepumpt hatten.
    »Sehr gut!«, lobte Schwester Tereza, und ihre Stimme schickte wieder einen Schwall Nikotingeruch in meine Richtung.
    »Nur ein paar Schritte noch. Nein, nicht die Augen schließen! Wenn Sie mir hier umkippen, kriege ich Sie nie wieder hoch. So ein Riesenkerl! Wie soll ich das denn schaffen? Ja, so ist’s gut. Denken Sie an was Schönes! Singen Sie gerne?«
    Diese Frage reizte mich zum Lachen und ich hielt inne, weil mein Hals wund und rau war wie Eichenrinde.
    »Nein? Gibt es nicht irgendein Lied, das Sie besonders gerne mögen? Singen hilft immer!«, beteuerte sie. »Das bringt den Kreislauf in Schwung.«
    Also gut. Wenn sie es unbedingt wissen wollte. »Nummer zwei in e-Moll aus dem Opus zweiundsiebzig von Dvořák.« Ich keuchte, weil mir das Atmen so schwer fiel.
    »Was? Opus?« Sie verstand kein Wort.
    »Antonín Dvořák, slawische Tänze -« ich hatte das Waschbecken erreicht, und Schweißperlen tropften von meiner Stirn auf das weiße Porzellan. Meine rechte Hand umkrampfte den kalten Beckenrand. Ich ließ den Kopf sinken, weil ich mich danach sehnte, diese Kühle an meiner Stirn zu spüren.
    »Slawische Tänze? Also ehrlich, ich finde Volksmusik nicht so toll.«
    Ich lachte heiser. Schwester Tereza drückte den Gummistopfen in den Ausguss und drehte den Wasserhahn auf. Am liebsten hätte ich sofort beide Hände ins Wasser getaucht und mein Gesicht großzügig damit begossen, aber ich

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