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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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breitete meine Arme aus. Der Mann hob den Kopf und richtete seine dunklen Augen das erste Mal auf mich. Ich schickte ein beruhigendes Lächeln in seine Richtung.
    Hoffentlich war das kein Psychopath!
    Der Typ konnte unmöglich bei klarem Verstand sein. Er sah aus wie ein Eremit - ein Einsiedler, der alleine im Wald hauste. Fast erinnerte mich sein Anblick an eine kindliche Vorstellung des heiligen Franziskus: schmutzig, ausgemergelt und von Tieren umgeben.
    Nur dass diese Tiere hier alle tot waren.
    Nach einigem Zögern legte er den Vogel behutsam in meine Arme. Er war so leicht, als bestünde er nur aus Knochen und Federn.
    Plötzlich schwankte der Mann und wäre fast zur Seite gekippt. Marek fing ihn auf, und gemeinsam mit dem Schäfer schleppte er ihn zum Auto. Ich legte das Tier auf der Rückbank ab, drehte schnell am Knauf des Vordersitzes, damit sie den Mann in eine liegende Position bringen konnten, und quetschte mich dann dahinter. Marek rannte um den Wagen herum zum Fahrersitz und startete den Motor.
    Der Verletzte hatte die Augen geschlossen und die Lippen fest aufeinander gepresst. Seine blasse Schulter ragte aus der Wolldecke heraus wie ein Eisberg.

 Blutqual
     
     
     
    A lles war mir fremd. Das grelle künstliche Licht, die unnatürliche Wärme der starren Luft, diese seltsame Stille. Eine Welt, die nicht raschelte, rauschte oder knisterte, als wäre ich begraben unter einer dicken Schneedecke. Der Schwarm war fort, und eine unendliche Schwere lähmte mich.
    Ich versuchte meinen Schnabel zu öffnen, um ein »Kroak« auszustoßen. Aber meine Kehle war ausgedörrt wie eine Trockenpflaume. Ich schob meine Zunge hervor und leckte mir über die Lippen. Diese Berührung erschütterte mich. Spröde, aufgerissene Lippen anstelle eines harten, spitzen Schnabels. Die Erinnerungen prasselten wie ein Eisregen auf mich ein:
    Pavel war tot.
    Sofort setzte der körperliche Schmerz ein, der bisher in Dumpfheit ausgeharrt hatte.
    »Ich glaube er wacht auf«, sagte eine Frauenstimme.
    »Keine Sorge, ich spritze ihm noch Metamizol in die Infusion, sonst springt er mir gleich hier runter.« Eine Männerstimme - dunkel, rauchig.
    Ich roch etwas Scharfes, dass ich nicht kannte, und den Geruch, der mir selbst anhaftete: Erde, Laub und Schweiß. Aber da war noch ein süßes metallisches Aroma. Eines, das so intensiv war, dass ich es sogar auf meiner Zunge schmecken konnte.
    Blut. Mein eigenes Blut.
    Mein linker Arm brannte und pulsierte heftig. Durch die dünne Haut meiner Augenlider leuchtete eine hellorange Lichtquelle. Ich drehte mein Gesicht davon weg und fühlte die Kühle eines Kissens an meiner Wange.
    Wohin hatte man mich gebracht? Und wo waren meine Gefährten? Wo war Pavel?
    »Und er ist einer Ihrer Mitarbeiter?« Wieder diese rauchige Stimme.
    »Nein, ich habe keine Ahnung, wer der Mann ist. Ich wurde wegen eines Tierrisses gerufen«, sagte ein anderer, der schnell sprach und mit nervösem Tonfall. Er erzählte, wie sie mich gefunden hatten und von einem toten Kolkraben in meinen Armen. Das war nur schwer zu ertragen, und ich wand mich auf meiner Liege.
    Ich wollte das nicht hören.
    Was sie dachten, interessierte mich nicht. Und erst recht wollte ich mir keine Beschreibungen anhören. Nicht von dem toten Staubgrauen. Von den Bluthunden. Von vergossenem Rabenblut. Ein Ächzen entrang sich der Enge meines Brustkorbs.
    »Kann man ihm nicht mehr von diesem Schmerzmittel geben?«, fragte die Frauenstimme.
    »Er hat bereits die Maximaldosis erhalten. Wir wollen ja nicht, dass sein Kreislauf kollabiert. Ich injiziere ihm jetzt erst einmal ein Tetanus-Toxoid.«
    Raschelnd wurde die Decke, die mich wärmte, zur Seite gezogen. Etwas Feuchtes benetzte meine Haut, und dann spürte ich einen Stich direkt in den Muskel meines Oberarms. Es kostete mich unheimliche Überwindung, nicht zurückzuweichen - diese Scheu zu überwinden, die mein Leben als Rabe begleitete. Scheu vor den Menschen, die uns beinahe ausgerottet hatten, die uns mit Strychnin vergifteten, für lächerliche Fangprämien erschossen, unsere Eier raubten und unsere Brut zerstörten.
    Welche Erleichterung, als die Hände von mir abließen und sich die warme Decke, einer schützenden Eihülle gleich, um meinen Körper legte. Stände es doch in meiner Macht, die letzten Stunden ungeschehen zu machen, ich gäbe mehr als nur meinen Arm dafür. Trauer überrollte mich und quoll zwischen meinen Lidern hervor. Eine Trauer, die mehr schmerzte als das Pochen in meinen

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