Rachekuss
kleiner Tisch, der von Werkzeugen überquoll. Links war ein Waschbecken, verschmutzt und von einem beinah blinden Spiegel überthront. Klamotten lagen herum, Essensreste, ein Elektroofen. Aber wie sollte man in dieser Enge auch Ordnung halten?
»Cooles Liebesnest«, sagte Flora. »Übrigens, die Polizei fahndet nach dir. Irgendwie ist dein Plan schiefgegangen, oder?«
»Welcher Plan?« Carina war aufgestanden und hatte die Arme in die Hüften gestützt. Falls sie sich fürchten sollte, verbarg sie es spielend.
»Komm schon, du kannst mich nicht mehr verarschen«, sagte Flora ruhig. »Ich habe dein Spiel durchschaut – du hast alles angezettelt –, du wolltest mich vernichten!«
Carina kicherte. »Vernichten! Wie das klingt! Aber du glaubst eben, du bist was Besonderes. Das Einzige, was ich wollte, war, dich zu vertreiben. Zurück in dein blödes Brasilien zu deinen dämlichen Strandfreunden.«
»Warum?«
»Du hast gestört. Du warst fehl am Platz.« Sie trat ganz dicht an Flora heran. »Du hast alles zerstört!«
Flora packte Carina an den Oberarmen. »Carina, du bist krank – hast du schon mal darüber nachgedacht? Ich habe überhaupt nichts zerstört!«
»Doch – du hast mir Yannik weggenommen.« Carina riss sich los. »Aber jetzt – jetzt habe ich ihn dir weggenommen. Und glaub mir, den kriegst du garantiert nicht wieder!«
Flora schossen die Tränen in die Augen. »Aber… aber«, stotterte sie. »Ich konnte doch nicht ahnen, dass du in ihn verliebt warst. Warum hast du nie was gesagt?«
»Was hätte es geholfen, wenn du es gewusst hättest? Er war trotzdem in dich verliebt! Hast du es nicht gemerkt? Ich habe es genau gemerkt! In dem Moment, als er dich das erste Mal gesehen hat, war es vorbei. Mir war klar, dass er mich nie wieder anschauen würde! Wir haben die ganzen Sommerferien miteinander verbracht, er hat mit mir geflirtet, geschäkert, einmal hat er mich sogar geküsst. Es wäre eine Sache von wenigen Tagen gewesen – dann hätte er mir gehört. Aber genau in diesem Moment bist du gekommen. Flora – das konnte ich nicht ungestraft lassen. Weißt du, du kannst nicht einfach mit deinen langen Locken und deinem hübschen Lächeln ankommen und anderen Mädels die Jungs wegnehmen.«
»Aber Carina, Carina.« Floras Gedanken überstürzten sich. »Du hast doch gerade selbst gesagt, dass er sich in mich verliebt hat, ohne dass ich etwas dazu beigetragen habe. Ich kann ihn dir nicht wegnehmen! Er war ein freier Mensch, der seine Entscheidungen alleine getroffen hat. Und ich habe ihn am Anfang ja gar nicht gewollt. Du hättest doch nur ein Wort sagen müssen…«
»Nein, Flora, so einfach ist das nicht. Er war nicht frei. Du hast ihn verzaubert.«
»So ein Quatsch!« Flora wich zur Tür zurück. Carina folgte ihr.
»Du bist eine Iansã, du bist eine böse Göttin! Du hast ihn getötet – ich war nur dein Werkzeug.«
»Aber er ist nicht tot«, schrie Flora nun und sah einen Moment die Unsicherheit in Carinas Augen blitzen. Wusste sie nicht, dass er überlebt hatte?
Ganz kurz nur zuckte Carinas Arm zur Seite und schon hielt sie Flora eine riesige Stahl-Rohrzange unter die Nase.
»Dann habe ich ja noch mehr Grund, dich einfach zu erschlagen wie ein räudiges Katzenbaby«, zischte Carina nun und grinste breit. »Ich freue mich schon darauf, ihn gesund zu pflegen. Er wird mir auf ewig dankbar sein.« Wie Ringer, die auf den Angriff des Gegners warteten, umrundeten sie einander. »Ich hätte mich so für dich gefreut, wenn du es heute Morgen geschafft hättest und einfach gesprungen wärst«, sagte Carina hämisch. »Dann wäre doch alle Qual vorbei gewesen.«
Flink versuchte sie, mit der Zange in Floras Ohr zu zwicken. Flora hielt Carinas Arm fest und war erstaunt, wie kraftvoll das Mädchen tatsächlich war. Klein, aber ungeheuer zäh. Es gelang Flora, Carina von sich wegzudrücken. Auch sie griff nach einem beliebigen Werkzeug und ihre Hand schloss sich um den warmen Holzgriff eines Hammers. Jede hielt ihre Waffe fest in der Hand. Wer würde zuerst zuschlagen? Ich will gar nicht zuschlagen, dachte Flora und der Hammer zitterte in ihrer Hand. Sie spürte, wie ihr der Schweiß herunterrann. Sie hatte das Gefühl, gleich zu ersticken. Der süße Geruch nahm ihr fast den Verstand.
»Carina, sei doch vernünftig«, flüsterte sie. »Du brauchst einen Arzt, du bist krank.« Carina lachte laut auf.
»Das hättest du gerne! Dass die kleine Carina in der Klapse landet! Weil ich doch so ein armes
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