Radegunde von Thueringen
und aus dem Bett der beiden Frauen kam ein zweistimmiges Prusten.
Am Ende der Woche konnte Radegunde reiten. Zwar musste Kiara abends einige wunde Körperstellen mit Kamillensud behandeln, doch tat das ihrem Glück keinen Abbruch. Seit zwei Tagen ritt sie einen jungen, aber gefügigen Hengst, der eine rötlichbraune Färbung hatte und deshalb „Fuchs“ gerufen wurde. Laut jauchzend galoppierte sie mit wehendem Haar und frischen roten Wangen über die Wiesen, dicht gefolgt von Amalafrid auf seinem kräftigen Schimmel. Sie nahmen den Weg hinunter zur Unstrut, zwischen den alten Apfelbäumen hindurch zum Ufer. Dort sprangen sie ab und ließen die Pferde saufen, während ihre Füße im Wasser des Flüsschens baumelten, bis sie schmerzten vor Kälte.
„Morgen reiten wir zum Heiligen See!“, sagte Amalafrid.
Sie lachte. „Egal wohin, Hauptsache, wir reiten!“
Es war schon fast Mittag, als sie am nächsten Tag endlich die silbrige Wasserfläche durch einen Birkenhain schimmern sahen. Ehrfürchtig und stumm stiegen sie ab. Wo die Birken das Ufer gen Osten freigaben, lag das Heiligtum.
Radegunde war nur einmal hier gewesen. In jenem Sommer vor drei Jahren war ihre Familie am Königshof Herminafrids zu Gast. Ihre Mutter brachte dort Bertafrid zur Welt, doch sie genas nicht nach der schweren Geburt. Ihr Vater hatte Radegunde vor sich auf seinen weißen Hengst gesetzt und sie waren mit dem Priester viele Stunden geritten. Im letzten Dorf vor der Opferstätte hatte Alwalach eine kräftige Kuh ausgesucht, die er auf dem Altar der Göttin Freya geopfert hatte. Vor deren Bild kniend hatte der Vater um das Leben und die Gesundheit der Mutter gefleht. Als sie am nächsten Tag zurückkamen, war die Königin gestorben. Nur der Winzling Bertafrid lag klein und schrumplig in den Armen der Amme.
Damals hatte sie Alwalach sagen hören, dass wohl eine Kuh für das Leben einer Königin nicht genüge, sondern gerade für das Leben des Säuglings.
„Keine Menschenopfer! Ich will nie wieder etwas davon hören!“, hatte der Vater gebrüllt, und Alwalach hatte sich achselzuckend abgewandt.
Mit Schaudern blickte Radegunde hinüber zu dem mit geflochtenen Weiden eingezäunten Areal. Still und friedlich lagen die Altäre, deren Umrisse an Boote erinnerten, in der Sonne. Kein Priester war zu sehen. Etliche übermannshohe Opferstangen ragten gen Himmel. Auf ihren gegabelten Spitzen steckten die Schädel von Ziegen und Rindern, ein größerer war offensichtlich von einem Pferd. Daneben stand ein düsteres Abbild des Wodan, das aus einer armstarken Astgabel geschnitzt war. Der leichte Wind wehte Brandgeruch und den Gestank der Verwesung herüber. Über einer Feuerstelle kräuselte sich weißer Rauch. Offenbar waren noch gestern hier Innereien verbrannt worden.
Sie schloss die Augen und wandte sich ab.
„Was hast du?“, fragte Amalafrid und zog sie in seine Arme.
„Ich mag diese Opferstätten nicht. Sie machen mir Angst.“
„Ein Grund mehr, die alten Götter zu vergessen. Unser Gott verlangt keine Blutopfer.“ Er strich ihr sanft über die Wange.
„Seit Jahrhunderten opfern unsere Priester hier den Göttern. Wie sonst sollen wir mit ihnen in Kontakt treten?“
„Aber wir können doch beten!“
„Das kommt mir so unzureichend vor. Davon haben die Götter nichts, wie sollen sie damit zufrieden sein!“
Amalafrid lachte. „Du führst mich aufs Glatteis. Ich glaube, für diese Diskussion ist meine Mutter besser geeignet, sie weiß auf alles eine Antwort.“
Sie drehten dem Heiligtum den Rücken zu und liefen eine Weile am Ufer entlang. Bald fanden sie im dichten Schilfgürtel einen kleinen Steg, den Fischer angelegt haben mussten. Etliche Schritte im Wasser erkannten sie schwimmende Holzblöcke, an denen eine Reuse befestigt war. Die Sonne stand inzwischen recht hoch.
„Kannst du schwimmen?“, fragte Amalafrid, während er am trockenen Ufer das harte Riedgras niedertrat und seinen Umhang darauf ausbreitete.
„Ja, aber du willst doch nicht im Heiligen See baden?“
„Warum nicht? Zu unserem Gott bekennen wir uns mit einem Bad, warum sollten eure Götter etwas dagegen haben?“ Er war bereits nackt und setzte die ersten Schritte vorsichtig in den Uferschlamm. „Komm, hab keine Angst!“
Radegunde blickte sich mit bangem Herzen um. Doch der Schilfgürtel war dicht und niemand konnte sie sehen.
„Dreh dich um!“
Amalafrid verdrehte in gespielter Komik die Augen und wandte sich ab.
In Windeseile legte sie ihre
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