Radio Heimat
sonniger Tag und ich stand auf der A 52, nur wenige Kilometer vor etwas, das wir
Dreieck Essen-Ost
nannten. Ich hatte meinen Sitz in eine waagerechte Position gebracht und sah mir an der Decke meiner Blechkiste einen Film an. Wisst ihr, wie wir diese Decke nannten?«
Nein, das wussten die Kinder nicht.
»Wir nannten sie Himmel. Meistens sahen wir mehr von diesem Himmel als von jenem, der sich über die Erde spannt. Ich sah also einen Film, ich weiß gar nicht mehr welchen, die automatische Steuerung bewegte die Blechkiste alle zwanzig Minuten etwa fünf Meter vorwärts, als es plötzlich an meine Scheibe klopfte und ich in das schönste Gesicht blickte, das ich je gesehen hatte. Das junge Mädchen, das zu diesem Gesicht gehörte, sagte, sie habe gesehen, dass meine Blechkiste bereits über einen Abort verfüge, und ob sie den benutzen dürfe, sie wolle sich nicht zu den anderen Frauen in den Straßengraben setzen. Natürlich hatte ich nichts dagegen. Mein Auto-Abort war damals ein ganz einfacher, schlicht eine Öffnung unter einem Deckel in der Rückbank, aber schon angeschlossen an den Kraftstoffkreislauf, der alle menschlichen Sekundärprodukte gleich in Energie umwandelte, so weit waren wir immerhin schon. Die Große Umwendung kündigte sich schon an. Ja, und so habe ich eure Großmutter kennengelernt. Sie saß auf der Rückbank, und unsere Blicke begegneten sich im Rückspiegel. Wir ließen ihre alte Blechkiste einfach stehen, wo sie war, das fiel nicht weiter auf, und zeugten noch vor Mitternacht ein Kind.« »Auf der A 52?«
»Nein, das war schon auf der A 40, kurz vor Frillendorf.«
Da waren's die Kinder zufrieden mit dem Großvater. Der Abend senkte sich auf das Dorf, und die Kinder wurden von ihren Eltern in ihre Hütten gerufen.
Oh 40 du!
Oh 40 du, mit einem A!
Mein Leben lang warst du mir nah
Entspringst schon fast im Niederland
Und erst in Duisburg wird es int'ressant
Vorher durch den flachen Niederrhein
Vorbei an Bauer, Kuh und Schwein
Straelen, Wankum, Kempen, Kerken
Auch Wachtendonk muss man sich nicht merken
Dann Neukirchen und durch Vluyn
Auch mit Moers, da hab ich nix zu tun
Rheinhausen, Homberg und Kreuz Kaiserberg
Vor der Laube steht der Gartenzwerg
Das nächste Dorf wird Mülheim heißen
Wo sie in Styrum Heimaterde schweißen
Ein Tunnel unter Essen licht
Ist besser so, dann sieht man's nicht
So nah die Häuser - Huttrop, Essen
Lärmschutz kannze hier vergessen
Es grätscht die 52 seitlich rein
Und Radaranlagen - gar nicht fein
Steele, Frillendorf und Kray
Auch Gelsenkirchen ist dabei
Und von der schönsten Stadt der Christenheit
Trennt uns nur noch Wattenscheid
Stahlhausen, Weitmar, Hamme
In diesen Fleck ich meine Fahne ramme
Oh Bochum, Perle, Schmuckstück du!
Wie gern seh ich dir dabei zu
Wie Großstadt du versuchst zu sein
Und bleibst doch nur ein Dörflein klein
Mit U-Bahn, Fußball, Boulevard
Mächtig was los hier, alles klar!
Blau-Weiß ist mein Syndrom
Und das Stadion heißt wie Strom
Den alten Namen haben sie verbrannt
Und jetzt auch noch die Ausfahrt umbenannt!
Noch Harpen, Laer und Werne
Auch Langendreer in der Ferne
Lütgendortmund, Dorstfeld, Kley
Dortmund-West, es ist vorbei
A 40, mon amour
Asphalten bist du und auch stur
Links und rechts von dir Geschichten leben
Echte Fressen, die vor Frechheit beben
Und traurig in den Abgrund schaun
Aus dem früher Kohle sie gehaun
Selterbude, Frittenschmiede, Schrebergarten
Orte, wo wir auf Erlösung warten
Manche starren stumm auf Küchenschränke
Vor sich nur gefährliche Getränke
Andre schlagen dir den Schädel ein
Willst du kein Borusse sein
Vom Staub der Kohle zum Computerchip
Statt Rollmops nun Exotik-Dip
Oh 40 du, mit einem A
Du warst immer für mich da
Meist länger als ich wollte
Wenn mal wieder gar nichts rollte
Asphalt bist du nur und Teer
Dich zu lieben fällt mir schwer
Doch du bist mein und ich bin dein
Es wird noch lange dauern mit uns zwein
Und mit dem letzten Tropfen hier im Tank
Sag ich fürs Wörtchen »Zuflussreglung« Dank
Kadett
Mein Oppa fuhr immer nur Bochumer Autos und tankte nur Bochumer Benzin. Etwas anderes als ein Kadett kam ihm nicht unter den Hintern, und in den Tank gehörte Aral. Er war fest davon überzeugt, dass dem Motor mit Shell, Esso oder Texaco irreparabler Schaden zugefügt würde. Das lehre doch das Leben ganz
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