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Radio Heimat

Radio Heimat

Titel: Radio Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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schießen. Omma legt die Stirn in Falten: »Männer brauchen abba au immer watt zum Spielen.«
    Da hinten, Richtung Hamme und Hordel, steigt das begrünte Gelände an. Ein Vater und sein Sohn lassen hier einen Lenkdrachen auf dem Herbst wind reiten. Eine moderne Brücke, die »Erzbahnschwinge«, führt vom Gelände weg, über Brachen und Gewerbegebiete.
    »Watt is datt denn da hinten?«, will Omma wissen. »Datt komische Dach?«
    »Das ist die Arena auf Schalke, das Fußballstadion.«
    Omma dreht sich Richtung Westen. »Und da hinten is der Förderturm vom Berchbaumuseum und der Bismarckturm. Kannze ma sehn, du, so hängt hier allet zusammen.«
    Von hinten sieht die Jahrhunderthalle aus wie ein riesiges, rostiges Kunstherz, das Vorjahren aus einem Roboterkörper entnommen worden ist. Die künstlichen Arterien hängen nutzlos heraus. Damit kann Omma nichts anfangen. »Ich würd' sagen, datt sind einfach nur Rohre. Wieso machense die denn nich ab? Datt sieht doch nich aus!«
    Ein kleines, unausgegorenes Referat über Abbruch-Look und den verführerischen Chic des Verfalls wäre jetzt wohl reine Luftverschwendung.
    Gleich daneben die Turbinenhalle, deren Dach gerade neu gedeckt und deren Fenster neu montiert werden. Zwischen Turbinen- und Jahrhunderthalle hindurch, den Bühneneingang passierend und dann zweimal links herum, stehen wir wieder vor der Stahl- und Glaskonstruktion des Haupteingangsbereiches und blicken durch die haushohen Scheiben in die veranstaltungsbegleitende »Jahrhundertbar«.
    Omma ist ganz angetan. »Schön hammse datt gemacht. Ich wusste gar nicht, datt et so hohe Scheiben überhaupt gibbt! Abba kumma die Stühle da: orangschene Polster! Da hasse dreimal drauf gesessen, dann krisse die nich mehr sauber! Wieso heißt datt eigentlich Jahrhunderthalle? Für dein Uroppa war datt immer nur die Gaskraftzentrale.«
    Der Name ist eine moderne Erfindung. Als der Bochumer Verein 1902 auf der Düsseldorfer Industrie- und Gewerbeaus-stellung einen eigenen Pavillon errichtete, führte niemand diese Bezeichnung im Munde.
    Wir betreten die Halle durch hohe Stahltüren, von denen Omma meint, sie sähen aus wie früher in der Reichskanzlei die Türen zu Adolfs Arbeitszimmer, nur eben aus Stahl. Das lassen wir mal so stehen.
    Und endlich stehen wir in der einhundertdreißig Meter langen Halle 1. »Watt ein Riesending!«, entfährt es Omma. »Wie ne Kirche, odda? Wie der Kölner Dom, meinzze nich?«
    Stimmt. Nicht umsonst spricht man hier von einer Industrie-»Kathedrale«, von Seiten- und Mittelschiffen. Ein Eindruck, der sich noch verstärkt, wenn man sich historische Aufnahmen von der Düsseldorfer Ausstellung ansieht. Da hatte die Halle noch einiges mehr an Türmchen und Zinnen und, vor allem, einen Glockenturm! Arbeit war hier schon immer heilig.
    Omma klopft gegen die genieteten Stahlsäulen, auf denen die gesamte Konstruktion ruht: »Krisse nich kaputt!«
    Geradeaus stoßen wir auf die größte der beiden Veranstaltungshallen. Omma ist geplättet: »Wie viel Leute gehen da rein? Dreitausend?«
    »Naja, eher so tausend bis fünfzehnhundert.«
    »Nu werd nich kleinlich, Junge! Wenn datt allet voll ist, sieht datt aus wie dreitausend, egal wie viele datt sind!«
    Die kleinere Halle, die immer noch etwa sieben- bis achthundert Zuschauern Platz bietet, findet Omma regelrecht gemütlich, »jedenfalls gegen die andere!«
    Als wir in Halle 1 zurückkommen, werden draußen die Wolken am Himmel über Stahlhausen für einen Moment beiseitegeschoben und Sonne fällt durch die hohen Fenster an der Westseite.
    »Ich sach doch: wie inne Kirche. Hoffentlich sind hier die Predichten nur besser.«
    Ich versichere Omma, dass die Ruhr-Triennale jetzt schon ein Festival von europäischem Rang sei und auch das übrige Programm hier allererste Qualität habe.
    Wieder draußen auf dem Gelände wagt Omma ein abschließendes Fazit: »Also nee, ich muss sagen, datt hammse schön gemacht. Nur datt der Parkplatz so weit wech is. Die Leute wollen immer bis vor de Tür fahren! Also haut mal hier noch ne Tiefgarage in den Berch, mit nem Aufzuch bis vor den Eingang, und dann wird datt hier richtich lustich.«
    Auf dem Rückweg nehmen wir die Freitreppe Richtung Alleestraße, und Omma erzählt von der Wohnung ihrer Eltern an der Elsassstraße, nur ein paar hundert Meter Luftlinie von hier, und wie ihr Vater, mein Uroppa, der in der Fremdenlegion gewesen war und fließend Englisch und Französisch sprach, immer Feindsender hörte und wie er

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