Räuber von den Sternen
Zeittransporters, an dessen Erfindung Lipnig fünfundzwanzig Jahre zuvor beteiligt gewesen war. Sein Mit-Erfinder und früherer Partner Rimaud Rudnl arbeitete jetzt für Gregor Malik. Tatsächlich war es Rudnls Desertion gewesen, die das Imperium zu einer so großen Bedrohung gemacht hatte, daß die Galaktische Föderation TERRA als Abwehrorganisation gründen mußte.
Obwohl die wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen keine geringe Faszination auf ihn ausübten, fühlte sich Hannibal Fortune in der Bibliothek am meisten zu Hause, denn hier war alles über Geschichte zusammengetragen, den Schlüssel zum Überleben in einem zeitbedrohten Universum. Seiner Vorliebe für die Geschichte der Menschheit verdankte er es denn auch, daß er für TERRA rekrutiert worden war. Seine besondere Fähigkeit, in achtundneunzig Prozent aller Fälle die richtige Antwort auf ein unerwartetes Problem zu finden, war ihm erst später zugewachsen und hatte ihm den Status eines Sonderagenten eingebracht.
Das Titelverzeichnis der Bibliothek hätte allein ausgereicht, um jeden echten Historiker in einen Begeisterungstaumel zu versetzen. Jeder Bericht, jede Chronik, die jemals in einer der über siebenhundert Schriftsprachen verfaßt worden war, konnte hier eingesehen werden, dazu Übersetzungen in jede der bedeutenden zeitgenössischen Sprachen. Detaillierte Aufzeichnungen über Vergangenheit und Gegenwart aller siebenundvierzig Planeten der Galaktischen Föderation standen auf Anforderung zur Verfügung, ihre vielfach verflochtenen Zeitlinien so übersichtlich dargestellt und offengelegt, als handele es sich um schematische Diagramme. In der Tat konnte man den vielschichtigen chronologischen Geschichtskatalog eines jeden Planeten am treffendsten als ein kilometerlanges Zeitschema bezeichnen, farbig angelegt, um jedes Gebiet von besonderem Einfluß hervorzuheben, mit Auflegern, die Abrufnummern der betreffenden Spezialliteratur, Datenangaben und Symbole für jeden thematischen Gegenstand enthielten.
»Achtunddreißig«, sagte Fortune zur Bibliothekarin.
Sie nickte und ließ ihre Finger über eine Batterie von Knöpfen gleiten. »Setzen Sie sich bitte vor die linke Wand. Wenn Sie fertig sind, finden Sie das Nachschlagematerial in Raum B.«
Sie reichte ihm ein Abrufmikrophon und wartete, bis er Platz genommen hatte. Dann betätigte sie einen Schalter, und eine zehn Zentimeter dicke und drei Meter breite Mikronitrolle glitt von oben in die Führungsrollen vor der transparenten, beleuchteten Betrachtungswand. Der Geschichtskatalog begann abzulaufen. Fortune steuerte von seinem Platz aus die Geschwindigkeit und ließ ein Dutzend Jahrhunderte herunterschnurren. Die Kolonnen der Daten und Namen tanzten vertikal vor seinen Augen, verzweigten sich, kreuzten einander und verschmolzen, um sich kurz darauf wieder zu teilen, wie es das Geflecht der Ereignisse von politischer, wissenschaftlicher, kultureller und wirtschaftlicher Bedeutung erforderte.
Fortune hielt die Rolle im Jahr 972 n. Chr. an und betrachtete die wichtigsten Kolonnen. Das maurische Königreich und Byzanz bemühen sich, ihren Einfluß in Europa gegen Otto den Großen zu stärken; das Reich der Mayas erlebt seine Blütezeit; Indien unter Moslemherrschaft; die Wikinger stoßen nach Westen vor und unternehmen Plünderungszüge bis zu den Küsten Portugals. Fortune befreite sich von seinem unausgesprochenen Wunsch, daß das Imperium ihm einen Vorwand geben würde, mit Leif Eriksson zu segeln – das wäre mal ein Abenteuer! – und setzte die Rolle erneut in Bewegung. Die Zeitlinien des Islam brachen ab, das Christentum begann sich auf den vorderen Orient zurückzuziehen, und das römische Kaiserreich nahm für eine Weile den größten Teil der Wand ein. Buddhismus und Hinduismus blühten in Südwestasien. Plötzlich war der Hinduismus allein. Wieder hielt Fortune die Rolle an und überflog den Rest der Wand. 529 v. Chr.: Ein junger chinesischer Adliger namens Konfuzius beobachtete kritisch den Niedergang seiner Gesellschaft… Ein indischer Prinzenabkömmling im Himalaja, Siddharta Gautama, verkündet die Lehre von der Selbstvervollkommnung auf dem achtgliedrigen Pfad, die ihn später als Buddha unsterblich machen wird … Ein persischer König trifft die unglückliche Entscheidung, Athen zu bekriegen …
Hannibal Fortune ließ die Rolle in langsamerem Tempo weiterlaufen und studierte den indischen Subkontinent, besonders das im Nordwesten gelegene Flußsystem des Indus,
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