Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
Jucken der Schuppen linderten, und viele andere Annehmlichkeiten, die die aufmerksamen Elderlinge für sie ersonnen hatten. Es war eine Schande, dass sie aus der Welt verschwunden waren. Jammerschade.
Sintara versuchte, sich Thymara als Elderling vorzustellen, aber es war ihr nicht möglich. Ihrer jungen Hüterin mangelte es an der rechten Einstellung gegenüber den Drachen. Sie war respektlos, trotzig und viel zu sehr mit ihrer Eintagsfliegenexistenz beschäftigt. Zwar besaß sie Temperament, konnte damit jedoch so gar nicht umgehen. Die ältere Hüterin, Alise, deren Elend und verborgene Unsicherheit Sintara auch jetzt deutlich spürte, war sogar noch weniger geeignet. Denn eine Elderlingsfrau brauchte etwas von der Entschlossenheit und dem Feuer einer Drachenkönigin. Hatte eine ihrer Dienerinnen wohl das Zeug dazu? Was wäre nötig, um sie aufzurütteln, ihren Eifer auf die Probe zu stellen? Lohnte es sich, sie herauszufordern, um zu sehen, aus welchem Holz sie geschnitzt waren?
Etwas irritierte sie. Widerstrebend öffnete sie die Augen und hob den Kopf. Sie rollte sich auf die Beine, schüttelte sich und legte sich wieder hin. Als sie den Kopf wieder ablegte, erregte eine Bewegung zwischen den hohen Binsen ihre Aufmerksamkeit. Wild? Sie richtete den Blick darauf. Nein. Nur zwei Hüter, die den Uferstreifen verließen und in den Wald gingen. Sintara erkannte sie. Die eine hieß Jerd und war die Hüterin von Veras. Für eine Menschenfrau war die Dienerin des Gründrachen hochgewachsen, und auf dem Scheitel wuchs ihr ein blonder Haarschopf. Thymara mochte Jerd nicht. So viel wusste Sintara, auch wenn sie den Grund dafür nicht kannte. Der andere war Greft. Sintara schnaubte leise durch die Nüstern, denn mit Kalos Hüter konnte sie wenig anfangen. Auch wenn Greft den blauschwarzen Hünen versorgte und blitzblank putzte, traute Kalo ihm doch nicht über den Weg. Bei Greft hatten alle Drachen ein ungutes Gefühl. Thymara fühlte sich zu ihm hingezogen und hatte gleichzeitig Angst vor ihm. Er faszinierte sie, und Thymara ärgerte sich über diese Faszination.
Sintara schnupperte, erhaschte die Witterung der beiden Hüter und ließ die Augen halb zufallen. Sie wusste, wohin sie unterwegs waren.
Da kam ihr ein verblüffender Gedanke. Plötzlich erkannte sie eine Möglichkeit, ihre beiden Hüterinnen auf die Probe zu stellen. Aber wäre es die Mühe wert? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Erneut streckte sie sich auf dem warmen Felsen aus und wünschte sich vergebens, sie läge auf einem sonnenheißen Sandstrand. Sie wartete.
Fünfter Tag des Gebetsmonds
IM SECHSTEN JAHR DES UNABHÄNGIGEN HÄNDLERBUNDS
Von Erek, Vogelwart in Bingtown, an Detozi, Vogelwart in Trehaug Anbei eine Nachricht von Händler Polon Meldar an Sedric Meldar, in der er sich nach dessen Befinden und dem voraussichtlichen Datum seiner Rückkunft erkundigt.
Detozi,
anscheinend herrscht eine gewisse Besorgnis um das Wohlergehen einiger Bürger aus Bingtown, die eigentlich nur nach Cassarick reisen sollten, nun aber weiter flussaufwärts gezogen sind. Heute hatte ich Besuch von zwei besorgten Elternpaaren, die mir unabhängig voneinander eine Prämie versprachen, wenn sie schnell Antwort erhielten. Mir ist bewusst, dass Ihr mit dem Vogelwart in Cassarick nicht auf bestem Fuß steht, aber vielleicht könntet Ihr Eure Beziehungen dieses eine Mal nutzen, um Nachrichten über Sedric Meldar oder Alise Kincarron Finbok zu erhalten. Die Finbok’sche kommt aus einer reichen Familie. Beruhigende Neuigkeiten dürften reichlich belohnt werden.
Erek
1
Vergiftet
D er schmatzende graue Matsch zerrte an ihren Stiefeln und ließ sie nur langsam vorankommen. Alise musste zusehen, wie Leftrin sich von ihr entfernte und auf die zusammengedrängten Hüter zuging, während sie sich abmühte, ihre eingesunkenen Füße zu befreien und ihm zu folgen. »Eine Metapher für mein ganzes Leben«, grummelte sie ärgerlich und beschleunigte entschlossen ihre Schritte. Kurz darauf kam ihr der Gedanke, dass sie es noch vor wenigen Wochen nicht nur als ein Abenteuer, sondern eine regelrechte Herausforderung betrachtet hätte, das Flussufer zu überqueren. Heute war es nur ein morastiger Streifen Land, den es zu überwinden galt, und noch nicht einmal ein besonders schwieriger. »Ich verändere mich«, sagte sie vor sich hin. Ein Kribbeln überlief sie, als sie spürte, dass Himmelspranke ihr zustimmte.
Hörst du alle meine Gedanken?, fragte sie die Drachin,
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