Rajin (Drachenfluch Erstes Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)
der Seemammuts auf die Welt geholt hatten, weil es ihnen an leicht zu erbeutender Nahrung gemangelt hatte, die groß genug war, um den Hunger ihrer gigantischen Mägen zu stillen. Jene Vorfahren der Seemammuts hatten noch an Land gelebt und Beine statt Flossen gehabt. Aber die Drachen stellten rasch fest, dass der größte Teil der Welt aus Ozean bestand und das Land knapp war. Zu knapp, um es mit diesen riesigen, appetitlichen Fleischbergen zu teilen. So trieben sie die Vorfahren der Seemammuts ins Meer und zwangen sie dazu, dort zu leben, sodass ihnen schließlich Flossen wuchsen, als wären sie Fische. Ihre Größe nahm noch erheblich zu, da nun der Auftrieb des Wassers und nicht mehr die Kraft ihrer Beine sie trug.
Doch all das waren Legenden aus dem Ersten Äon, aus einer Epoche, da die Drachen allein über die Welt geherrscht hatten. Geschichten, die man sich seit so undenkbar langer Zeit erzählte, dass niemand Vermutungen darüber wagte, wie groß ihr Wahrheitsgehalt war. Tatsache war, dass seit Menschengedenken nie ein Drache auf der Jagd nach einem Seemammut beobachtet worden war – auch keiner der wenigen noch wilden, nicht unter Menschenherrschaft stehenden Drachen, die es noch gab.
Ein Großteil des Seemammutfleisches, das von den Jägern im Norden des Seereichs erbeutet wurde, wurde getrocknet, sodass es eine ähnliche Haltbarkeit erlangte wie Stockfisch. In handliche und brettharte Brocken zerteilt, von denen keiner zu schwer war, um von einem einzelnen Mann getragen werden zu können, brachte man das Seemammutfleisch in die großen Häfen des Seereichs, allen voran Seeborg, Storgard, Borghorst und Mittelborg, die durch den Handel mit Stockseemammut reich geworden waren. Von dort aus wurde es auch an die drachenländischen Küsten verschifft, wo es die Drachenier an ihre imposante Schar von gezähmten Kriegsdrachen verfütterten. Vielleicht traute man diesen riesigen, in den Äonen ihrer Versklavung offenbar geistig degenerierten Ungetümen einfach nicht zu, sich ihre Nahrung weit draußen auf See selbst zu suchen – oder man misstraute ihnen und glaubte nicht, dass sie freiwillig zurückkehren würden.
Rajin blinzelte. Die dunklen Punkte am Horizont strebten auf die winterländische Küste zu. Einen kurzen Moment leuchtete etwas auf, das vielleicht ein Feuerstrahl sein mochte, der aus Drachenschlünden gezüngelt war. Der Dunst tief hängender Wolken verschluckte die beiden dunklen Punkte bereits wenige Augenblicke später.
„Halt dich zurück und such nicht die geistige Berührung mit den Drachen“, hörte er in seinem Inneren die wohlbekannte Stimme des Weisen Liisho sagen. „Denk nicht an sie, und vor allem unterdrücke jeden Gedanken daran, ihren Willen beeinflussen zu wollen. Es wäre dein Verderben.“
2. Kapitel
Fluch der Himmelsbestien
Es dauerte eine Weile, bis sich die Beißer verzogen. Sie hatten zuvor sämtliche Quallen am Körper des toten Seemammuts, die in ihrer Reichweite lagen, abgenagt. Je weniger Quallen noch übrig blieben, desto aggressiver wurden die gierigen Fische, und sie fingen an, sich gegenseitig zu zerfleischen.
Schließlich verschwand der Schwarm und tauchte auf Nimmerwiedersehen ab. Die Macht Njordirs schien sie zu lenken wie ein einziges Wesen.
Rajin hatte inzwischen sein Schwert sorgfältig gereinigt, um den Klingentod zu verhindern. Schwerter waren kostbar, und ein nicht geringer Teil des Silbers, das die Seemannen durch ihren Handel mit Stockseemammutfleisch erwirtschafteten, floss den Schmieden Feuerheims zu.
Hjalgor und Glednir – zwei weitere Männer aus Wulfgar Wulfgarssohns Gefolge – entfachten ein Signalfeuer auf dem Rücken des getöteten Seemammuts. Die „Stoßzahnsammler“ führte dazu einen Holzvorrat mit, der nur diesem Zweck diente.
Hjalgor Fünfzopf war ein großer rothaariger Mann, dessen Mähne in fünf Zöpfe geflochten bis weit über seine Schultern hing. Er hatte Njordir und den fünf Mondgöttern versprochen, sich das Haar niemals zu scheren, zum Dank dafür, dass er vor fünfzehn Wintern aus Seenot gerettet worden war.
Glednir war klein und drahtig. Sein Haar war aschblond und die Stirn so hoch, dass man ihn auch Glednir Freistirn nannte; dafür war sein Barthaar umso üppiger.
Die beiden sorgten dafür, dass die Flammen hoch emporloderten. Das Holz war zuvor mit Seemammut-Tran getränkt worden, was dazu führte, dass pechschwarzer, meilenweit sichtbarer Rauch gen Himmel stieg – Tranrauch, wie die Seemannen
Weitere Kostenlose Bücher