Rajin (Drachenfluch Erstes Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)
sagten. Mit einer nassen Decke formten Glednir und Hjalgor daraus Rauchzeichen. Viele Seemeilen weit konnte man so nicht nur erkennen, dass ein Seemammut erlegt worden war, man erfuhr auch, dass es die Mannschaft von Wulfgar Wulfgarssohns Schiff gewesen war, die dies vollbracht hatte.
Aber auf sich allein gestellt konnte die Mannschaft der „Stoßzahnsammler“ mit dieser Beute nichts anfangen. Man brauchte die Hilfe weiterer Schiffe, um den riesigen Kadaver in die Bucht von Winterborg zu ziehen und dort irgendwo anzulanden. Ein Schiff allein war dazu nicht in der Lage – schon gar nicht bei einem so außergewöhnlich großen Exemplar wie jenem, auf dessen Rücken inzwischen ein Dutzend Männer damit begonnen hatten, mit Widerhaken bewehrte Harpunen in das Fleisch des Monstrums zu treiben. An ihren Schäften waren Metallringe befestigt, an denen die Zugseile herbeieilender Hilfsschiffe befestigt werden konnten.
In Sichtweite der Rauchsäule wusste bald jeder Seemannen-Kapitän, dass ein gutes Geschäft auf ihn wartete, denn jeder, der sich an der Bergung eines erjagten Seemammuts beteiligte, erhielt einen festgelegten Anteil am Gewinn.
Rajin war ebenfalls damit beschäftigt, solche Zugharpunen zu verankern. Sie unterschieden sich deutlich von den Wurfharpunen, die bei der Jagd benutzt wurden, waren kürzer und darauf ausgelegt, mit aller Kraft und aus unmittelbarer Nähe in den Seemammutkörper hineingestoßen zu werden. Eine ausgeklügelte Mechanik sorgte dafür, dass Widerhaken im Fleisch der Beute ausgeklappt wurden, sobald man am Schaft zog, und man konnte diese Harpunen mit einer sehr viel größeren Zugkraft belasten als die bei der Jagd eingesetzten Waffen, deren Spitzen nicht so tief in den Körper des Seemammuts eindrangen.
„Sohn Bjonn!“, wandte sich Wulfgar an Rajin, nachdem dieser gerade eine Zugharpune gesetzt hatte.
Rajin drehte sich zu seinem Ziehvater um, der ihm einen Bogen hinhielt. Es war ein besonderer Bogen, der nur zu rituellen Zwecken benutzt werden durfte. Er war aus der Rippe eines ungeborenen Seemammutjungen gefertigt, den man vor vielen Generationen im Leib eines Beutetiers gefunden hatte. Wulfgar Eishaar, der in zahllosen Legenden und Erzählungen als Held verehrte Stammvater von Wulfgar Wulfgarssohns Sippe, hatte daraus einen Bogen gefertigt, und seitdem damit das Opferritual für Njordir durchgeführt wurde, war das Jagdglück der Sippe treu geblieben.
„Es ist an dir, das Ritual durchzuführen“, sagte Wulfgar. „Du hast den Stoß geführt, der den Geist des Seemammuts zu Njordir schickte, wo er sich über uns beklagen wird.“
Aus diesem Grund musste der Meeresgott besänftigt werden, indem man ihm einen zumindest symbolischen Teil der Beute abgab.
Rajin nahm den Bogen.
Glednir und Hjalgor hörten auf damit, Rauchzeichen zu geben. Einer der anderen Männer hatte bereits ein faustgroßes Stück aus dem Fleisch des Monstrums geschnitten, es an die Spitze seines Schwertes gesteckt und ins Feuer gehalten. Der Mann hieß Bratlor Sternenseher. Diesen Namen verdankte er seiner Fähigkeit, aus dem Stand der Gestirne die Himmelsrichtung und die Position des eigenen Schiffs bestimmen zu können. Dazu war er zwei Jahre auf die Sternenseher-Schule in Seeborg, der Hauptstadt des Seereichs, gegangen, wo man ihm den Erwerb seiner Fähigkeiten mit einem Dokument bestätigt hatte. Solche Männer waren bei allen Kapitänen heiß begehrt, und ihre Dienste wurden teuer bezahlt.
Man sagte den Sternensehern eine besondere innere Nähe zum Meeresgott Njordir und den fünf Mondgöttern nach, von denen man annahm, dass sie den Lauf der Gestirne bestimmten. Befand sich also ein Sternenseher an Bord eines Seemammutjägerschiffs, so war es daher stets dessen Aufgabe, die Opfergabe über dem Feuer zu erhitzen. Schließlich wollte man nicht Njordirs Zorn herausfordern, indem man ihm Fleisch anbot, in dem sich auch nur noch eine Spur des giftigen Seemammutblutes befunden hätte.
Nachdem Bratlor der Meinung war, das Stück Fleisch sei ausreichend erhitzt worden, band er es an einen gewöhnlichen Pfeil und reichte diesen Rajin.
„Den Göttern gebe man, was den Göttern zusteht“, sagte er.
„Und Frieden der Seele des Seemammuts“, erwiderte Rajin; es war die traditionell bei diesem Anlass gesprochene Formel.
Er spannte den Bogen und ließ den Pfeil in einer leicht aufsteigenden Linie in die Ferne schnellen, bevor sich seine Flugbahn schließlich senkte und er mitsamt der Opfergabe in die
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