rank und schlank und rattenscharf
sofort war sie in Alarmbereitschaft. Das hat Willi sichtbar genervt und wir haben schnell eine Strategie entwickelt, wie wir dem Abhilfe schaffen konnten: Wenn wir uns über Kira unterhielten, nannten wir sie Karl, und fortan blieb sie liegen.
Es geht schon nach wenigen Metern steil bergauf und ich komme richtig ins schwitzen. Der Schweiß tritt mir aus allen Poren und mein Hemd ist schon nach wenigen Steigungen pitschnass. Ich muss immer wieder stehen bleiben, tief durchatmen, Wasser trinken. Kira zieht mich nach wie vor mit aller Kraft hinter sich her. Beide Wasserflaschen sind schon nach den ersten Kilometern fast leer. Ich habe nur noch wenige Tropfen. Das kann ja was geben!
„Willi, Du kannst ruhig schon vorlaufen, ich komme schon irgendwie hinterher.“
Nach knapp zwei Stunden machen wir unsere erste Pause. Ich komme aus dem letzten Loch schnaufend an und bin heilfroh, dass ich mich erst einmal setzen kann. Willi liegt im Halbschatten eines Baumes auf der Wiese und hat sich bereits häuslich eingerichtet: Nasse Wäsche aufgehängt, Schuhe ausgezogen, Bücher aus dem Rucksack geholt und liegt ganz relaxed auf seiner Isomatte.
Ich bin jetzt schon völlig fertig mit der Welt, doch ich muss mich aufraffen und noch einmal aufstehen. Mein nasses Hemd muss auch auf den Weidezaun gehängt werden. Ich ziehe mir auch meine Wanderschuhe aus und Kira legt sich sofort ins Gras. Sie hat einen großen Anteil daran, dass ich es überhaupt bis hier geschafft habe. Hätte ich mich darauf vorbereiten können, müssen?
Einige Pilger gehen an uns vorüber und grüßen mit „Buen Camino“. Das ist also der spanische Pilgergruß, einen Pilgergruß aus Deutschland kenne ich nicht. Ein Pilger mit Glatze kommt zu uns herüber und will mich ansprechen, aber Kira hat was dagegen und knurrt ihn an. Sie kläfft und fletscht ihre Zähne, sodass er sofort abdreht und weiter geht.
„Willi, schau mal, hier liegen einige Klamotten und ein Rucksack herum. Das ist doch blöd, alles einfach wegzuwerfen.“ — „Von wegen weggeworfen! Den haben die unten im Ort geklaut, ausgeplündert und hier hingeschmissen.“ — „Meinst Du?“ — „Na klar!“ — Man, was bin ich manchmal naiv, daran hätte ich jetzt gar nicht gedacht.
Die Pause hat richtig gut getan, doch sie hätte doppelt so lang sein müssen. Wir packen unsere Sachen und machen uns wieder auf den Weg. Er führt weiter ständig nach oben, mal mehr, mal weniger steil. Willi hat sich bereits einen größeren Vorsprung erlaufen und ist außer Sicht. An einer Herberge treffen wir uns wieder. Es sind noch andere Pilger hier oben in den Bergen, die das atemberaubende Panorama genießen. Willi sitzt schon an einem Tisch, als ich völlig erschöpft mit Kira ankomme.
Jetzt sind meine Wasserflaschen restlos leer. Was sind schon zwei Liter bei einer solchen Strapaze? Den ganzen Weg hier hoch habe ich extrem geschwitzt. Diese ungewohnte Anstrengung hat mir alles abverlangt. „Willi, kannst Du Kira mal festhalten?“ Er nimmt sie ohne zu murren, damit ich mir Wasser kaufen kann. Geht doch! Warum hat er sich unten im Ort so doof angestellt?
Als ich mich zu ihm setze, kommt der Mann mit der Glatze an unseren Tisch und startet einen neuen Versuch, mit uns ins Gespräch zu kommen. „Nicht meinen Hund anfassen, einfach ignorieren“ sage ich. — „Ich habe keine Angst vor Hunden, ich habe selber mal einen Hund gehabt.“ — „Trotzdem.“ — Er heißt Christian und kommt aus Berlin, ist bereits seit 70 Tagen unterwegs. Von Berlin über Frankfurt bis nach Colmar gelaufen. Von dort ist er mit dem Zug nach Toulouse gefahren und später weiter getrampt. Heute Morgen ist er auch in St. Jean Pied de Port losgelaufen. Er ist vor kurzem Opa geworden und hat seinen Sohn in der Nähe von Frankfurt besucht. „Ich werde auch Opa.“ Mein erstes Enkelkind soll zur Welt kommen, ungefähr in der Zeit, wenn wir in Santiago ankommen.
Wir unterhalten uns über alles Mögliche und er erzählt von seinem Hund, der vor einigen Jahren gestorben ist. Ich erkläre ihm, dass es für mich von Anfang an feststand, wenn ich den Jakobsweg laufe, dass ich meinen Hund mitnehme. Christian findet das gut: „Wenn Du in Santiago ankommst, müsstest du eine doppelte Compostela bekommen.“
Mir geht es um keine Auszeichnungen, ich habe auch keinen Pilgerpass. Wichtig ist für mich, dass ich jetzt hier mit meinem Hund auf dem Jakobsweg bin, alles andere ist mir egal.
„Christian, willst Du heute noch weiter
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