Raritaeten mit Biss
Fehlanzeige!
Jetzt kommen die Alten
Doch viele Verbraucher sind nicht mehr bereit, sich damit zufriedenzugeben. Sie suchen nach neuen Geschmackserlebnissen, entwickeln neue Qualitätsansprüche, interessieren sich für Omas und Opas alten Gemüsegarten. Das Regionale, das Authentische, das Besondere ist wieder gefragt. Es spricht sich langsam herum: Besonderes bieten nicht nur Exoten, sondern vor allem alte Gemüseraritäten.
So kommen die »Alten« wieder und erobern mit Elan die Wochenmärkte.
Noch vor einigen Jahren landeten sie auf dem Komposthaufen unserer Wohlstandsgesellschaft, heute verblüffen sie mit ihrer Frische und Individualität: der extravagante rote Mangold, die bodenständige Pastinake, die elegante Mandelkartoffel, der koboldhafte Gute Heinrich.
Besonders Biobauern geben den Verweigerern der industriellen Landwirtschaft eine neue Heimat in artgerechter Umgebung. Kleine unabhängige Saatgutbetriebe haben gegraben, gesammelt, getüftelt und den Anbau unterstützt. So können wir immer mehr »Oldies but Goldies« auf unseren Märkten begrüßen.
Diese Entwicklung bietet uns viele Vorteile:
Alte Gemüsesorten bestechen durch ein unvergleichliches, ursprüngliches Geschmackspotenzial.
Sie sind über Jahrhunderte in unseren Gärten herangewachsen. Dabei haben sie sich den lokalen Verhältnissen gut angepasst: Die »alten Hasen« sind robust, kraftvoll und gesund. Man muss ihnen nicht mit der chemischen Keule kommen. Die brauchen und mögen sie nicht.
Es sind Pflanzen, denen ein ganz besonderes Ambrosia innewohnt, das oft über den Wert als Lebensmittel hinausgeht. Alte Gemüsesorten gehören nicht nur in ein Gemüsebeet, ihrer Schönheit wegen gebührt diesen Pflanzen oft auch ein Platz im Blumenbeet.
Ihre Kultur stellt eine Form des Widerstands gegen die Vereinheitlichung der Nutzpflanzen und des Geschmacks dar. Alte Kulturpflanzen tragen deutlich zum Erhalt der Vielfalt bei, die seit Einführung der industrialisierten Landwirtschaft kontinuierlich ausgedünnt wird.
Sämtliche alte Kulturpflanzen sind samenfeste Pflanzen. Das heißt, dass aus ihren Samen neue Pflanzen gewonnen werden können und somit für die Landwirtschaft keine Abhängigkeit von Saatgutproduzenten (heutzutage meist multinationale Konzerne) mehr gegeben ist. Der Bauer bleibt unabhängig.
Darüber hinaus ist der Verzehr alter Kulturpflanzen dank ihrer vielen sekundären Pflanzenstoffe auch noch sehr gesund – und das Beste sollte doch für jeden von uns gerade gut genug sein.
Von zahlreichen »historischen« Gemüsesorten sind alle Pflanzenteile verwendbar.
Die Vielzahl der Verwendungen in der Küche kennt kaum Grenzen: roh, gedämpft, pochiert, gedünstet, geschmort, gebraten, gegrillt, frittiert …
Wir Verbraucher haben es in der Hand, die Nachfrage nach Raritäten mit Biss weiter zu steigern. Dank Ackerpille, Bamberger Hörnchen, Bronzefenchel, Pastinake, Pompon blanc und Teltower Rübchen werden wir mit unvergleichlichen (gesunden) Geschmacks- und Kocherlebnissen belohnt. Alte Gemüsesorten und Wildkräuter neu zu entdecken lohnt sich also. Ihnen wird das Wasser im Mund zusammenlaufen. Versprochen!
Pflanzenporträts und Rezepte
Pflanzenporträts und Rezepte
Gemüse
Gemüse
Ackerpille
Abgeflacht, aber mit Tiefgang
Nach der griechischen Mythologie soll der Kohl aus dem Schweiß des Zeus entstanden sein. Auch die Römer der Antike kannten und schätzten Kohl. Dennoch gilt gerade der Weißkohl als »urdeutsches« Gemüse. Und tatsächlich gehört Deutschland zu den weltweit führenden Anbauländern. In Schleswig-Holstein, in Dithmarschen – bekanntlich Deutschlands »Kohlkammer« –, werden jedes Jahr im Herbst 80 Millionen Kohlköpfe geerntet: Rotkohl, Grünkohl, Wirsingkohl und vor allem Weißkohl.
Der runde, abgeflachte oder zugespitzte Kopf des Weißkohls ist botanisch gesehen der gestauchte Spross der Pflanze. Er besteht aus glatten und glänzenden, mit einer Wachsschicht überzogenen Blättern und ist von weißlich grüner Farbe.
Seit einigen Jahren wächst auf nordfriesischer Scholle im Schatten von EU-genormten Kohlköpfen (Brassica oleracea) eine Weißkohlrarität heran: die Ackerpille. Diese abgeflachte Weißkohlsorte war schon im 16. Jahrhundert bekannt und erlebte im 18. Jahrhundert eine wahre Blütezeit. Lange in Vergessenheit geraten, erfreut sie sich heute wieder neuer Beliebtheit. Zu Recht: Die Ackerpille überzeugt durch einen feinen, subtilen, mild würzigen Kohlgeschmack. Bei der
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