Raritaeten mit Biss
Vorwort
Vorwort
Gegen das Vergessen
Kennen Sie die Ackerpille, Weiße Bete, Topinambur, den Guten Heinrich oder Vogelmiere? Nein? Schade. Ihnen entgeht etwas.
Vor einigen Jahrzehnten kannte sie noch fast jeder. Die Palette der angebotenen heimischen Gemüse- und Kartoffelsorten und das Wissen um essbare Wildkräuter waren damals wesentlich breiter als heute. Viele dieser »Raritäten mit Biss« sind heute fast völlig vom Markt verschwunden.
Mittlerweile werden einige von ihnen wieder neu entdeckt und bekannt gemacht. Die Nachfrage nach alten Landsorten und regionalen Spezialitäten steigt. Besonders Biobauern setzen sich verstärkt für mehr Sortenvielfalt, für den Erhalt alter Kultur- und Nutzpflanzen ein. Gut so, denn es wäre schade, wenn unsere alten Gemüsesorten und die Kräuter der Natur, die sich über Jahrhunderte bewährt haben und geschätzt wurden, zu vergessenen Genüssen würden. Die Geschmacksvielfalt würde arg leiden, wenn wir nur noch global gehandeltes Einheitsgemüse kaufen könnten.
Wir Verbraucher sollten uns nicht länger mit Einheitsprodukten mit Einheitsgeschmack aus dem Handel abspeisen lassen. Warum können wir im Supermarkt meist nur aus drei, vier Kartoffelsorten wählen, wo es doch Hunderte gibt? Und die besonders köstlichen sind garantiert nie dabei.
Geben wir doch der Pastinake, dem Blauen Schweden, Hirschhornwegerich, Römischem Ampfer und dem Friséepilz eine Chance.
Wir profitieren alle davon: die Natur, engagierte (Bio-)Landwirte, nachfolgende Generationen und, nicht zuletzt, unsere Geschmacksnerven. Schmecken die »Raritäten mit Biss« doch unvergleichlich besser als ihre Verwandten aus der EU-genormten Landwirtschaft. Esst, was Ihr retten wollt!
»Gegen das Vergessen« lautet das Motto des Buches. Doch was für alte Sorten gibt es? Wie ist ihre Geschichte? Was mache ich mit ihnen in der Küche?
Das Buch gibt Antworten auf all diese Fragen und stellt Ihnen die wichtigsten Gemüsesorten, Kartoffeln, Kürbisse, Salate und Wildkräuter sowie Speisepilze vor. Die Beiträge zu den einzelnen Sorten erschienen zwischen 2006 und 2009 als wöchentliche Kolumne unter dem Titel »Vergessene Genüsse – Raritäten mit Biss« in den Kieler Nachrichten. Für das Buch habe ich die interessantesten Kolumnen ausgewählt und – wo es mir notwendig erschien – überarbeitet und sie um jeweils ein persönliches Rezept ergänzt.
Die meisten Rezepte sind einfach nachzukochen. Sie entsprechen meiner Philosophie, mit guten und besten Ausgangsprodukten entspannt, unkompliziert und lecker zu kochen. Der Kohl, die Rübe und das Wiesenkraut sollen im Mittelpunkt stehen und glänzen, nicht der Koch. Das Glänzen überlasse ich gern den Sterneköchen. Die Rezepte sind jeweils für vier Personen berechnet, wobei die Mengenangaben als Anhaltspunkte zu verstehen sind. Denn natürlich spielt es auch eine Rolle, ob ich ein Gemüse als Vor- oder Hauptspeise, als Hauptakteur auf dem Teller oder als Beilage zu einem Stück Fleisch serviere.
Guten Appetit wünscht
Jens Mecklenburg
Mut zur Vielfalt
Mut zur Vielfalt
Für mehr Sortenreichtum auf unseren Tellern
Das tägliche Lebensmittelangebot im Supermarkt ist üppig. Viele Tausend Produkte stehen zum Kauf bereit. Dazu sind sie so billig wie noch nie. Zumindest geben wir immer weniger für Lebensmittel aus, um die zehn Prozent unseres Einkommens. 1960 hat der Durchschnittsdeutsche noch 160 Minuten für ein Kilogramm Schweinekotelett gearbeitet, heute sind es 30 Minuten. Also, alles gut? Leider nein. Angesichts der zunehmenden Industrialisierung und Globalisierung der Landwirtschaft sowie der extremen Konzentration im Lebensmittelhandel spüren viele Verbraucher, wie sie immer öfter von einer inneren Beunruhigung und Unzufriedenheit befallen werden. Geiz ist für viele eben nicht »geil«. Der Preis, den wir dafür zu zahlen haben, ist standardisierte Einheitsware mit wenig Geschmack. Nur auf den ersten Blick erscheint das Lebensmittelangebot üppig, bei genauerem Hinsehen erweist es sich meist als kümmerlich. Es werden zwar 20 verschiedene Tütensuppen und 30 verschiedene Pizzas angeboten, dafür aber nur drei Kartoffelsorten und ein Weißkohl. Dabei gibt es Hunderte Kartoffel- und Kohlsorten. Die schmackhaftesten unter ihnen sind garantiert nie im Angebot. Zu wenig ertragreich, zu kompliziert für moderne landwirtschaftliche Maschinen, auch entsprechen sie häufig nicht den Vorstellungen der EU-Bürokratie. Sortenvielfalt:
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