Ratgeber Aggressives Verhalten
Kindergarten mit dieser Problematik besser klarkommen kann.
Dieser Ratgeber ist Bestandteil der Reihe Leitfaden Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und soll den entsprechenden Band unserer Autorengruppe (Petermann, Döpfner & Schmidt, 2001) 1 ergänzen. Unser Ratgeber kann leider nur wenige Hinweise geben. Umfassendere Informationen und Ratschläge für Eltern, Lehrer und Erzieher können dem Buch Wackelpeter und Trotzkopf, Hilfen bei hyperkinetischem und oppositionellem Verhalten (Döpfner, Schürmann & Lehmkuhl, 2006) entnommen werden.
Vielfach werden Betroffene bei einer so stabilen Problematik, wie sie das aggressive Verhalten häufig bildet, nicht ohne professionelle Hilfe auskommen. Für Psychotherapeuten (mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie) stehen umfassende Therapiemanuale zur Verfügung (z. B. Petermann & Petermann (2008): Training mit aggressiven Kindern; Petermann & Petermann (2007): Training mit Jugendlichen; Döpfner, Schürmann & Frölich (2007): Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten (THOP)).
Bremen, Köln und Mannheim, im März 2008
Franz Petermann, Manfred Döpfner und Martin H. Schmidt
1 Petermann, F., Döpfner, M. & Schmidt, M.H. (2007). Aggressiv-dissoziale Störungen . Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie, Band 3 (2., korr. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.
1 Kennen Sie das?
Mit dem neunjährigen Oliver gibt es ständig Ärger, vor allem in der Schule. Kein Tag vergeht, ohne dass die Eltern mit Beschwerden von der Schule, den Nachbarn und Gleichaltrigen konfrontiert werden. Einmal hat Oliver seine Klassenlehrerin beschimpft und ein anderes Mal einem Mitschüler die Nase blutig geschlagen. Stellt die Mutter Anforderungen an Oliver, dann erntet sie wüste Beschimpfungen, die damit enden, dass Oliver wütend die Wohnung verlässt und erst spät (zu spät) nach Hause kommt. Stellt ihn der Vater dann am Abend zur Rede, so antwortet Oliver nicht. Strafen nimmt er wortlos hin – seine Wut lässt er dann an jüngeren Kindern aus. Es ist klar, dass Oliver bei seinen Kameraden nicht beliebt ist – er macht anderen Angst und gilt als Störenfried.
Die 12-jährige Melanie läuft oft abends von zu Hause weg und kommt erst am nächsten Tag wieder. Manchmal wird sie auch nachts am Hauptbahnhof von der Polizei aufgegriffen und nach Hause gebracht. Schon seit drei Jahren kommt es immer wieder vor, dass Melanie auch teure Gegenstände im Kaufhaus stiehlt. Obwohl sie schon mehrmals von den Kaufhausdetektiven der Polizei „gemeldet“ wurde, kommt Melanie immer mit einem blauen Auge davon, da sie noch nicht strafmündig ist. Im Stillen freut sich Melanie, dass sie ihren Eltern soviel Ärger macht, da sie sich von ihnen abgelehnt und schlecht behandelt glaubt. Melanie ist es auch völlig egal, wie es mit ihr in der Zukunft weiter geht; man hat ihr schon oft angedroht, dass sie in ein Erziehungsheim kommt – das lässt sie völlig kalt, an eine schöne Zukunft glaubt sie ohnehin nicht mehr!
Solche aggressiven Verhaltensweisen machen uns betroffen, sie erfordern eine Reaktion und verpflichten uns als Eltern, Lehrer und Erzieher, dem „aus der Bahn-Geratenen“ zu helfen und Sicherheit und Orientierung zu geben. Um diese schwierige Aufgabe erfolgreich bewältigen zu können, benötigt man Hinweise und Strategien, die wir Ihnen im weiteren geben wollen. Packt man den Umgang mit aggressiven Kindern falsch an, dannführt aggressives Verhalten schnell zur Eskalation, die man nicht mehr „friedvoll“ beeinflussen kann. Kinder und Jugendliche lernen sehr schnell, dass sie durch Aggressionen Erwachsene und Gleichaltrige steuern können. Sie merken, wie schutzlos die Interaktionspartner einer Aggression ausgeliefert sind und kosten manchmal auch die eigene Macht sowie die erzeugte Ohnmacht aus.
2 Woran erkenne ich Kinder und Jugendliche mit aggressivem, oppositionellem oder dissozialem Verhalten?
Wir verwenden im Folgenden den Ausdruck „aggressives Verhalten“ als Sammelbegriff für aggressives, oppositionelles und aggressiv-dissoziales Verhalten. Hierunter versteht man ein auffälliges Verhalten mit einer Schädigungsabsicht. Die Schädigung kann offen und erkennbar erfolgen, aber auch verdeckt („hinterhältig“); sie kann auf eine Person bezogen sein oder sich gegen Gegenstände richten.
Unter „oppositionellem Verhalten“ (Trotzverhalten) versteht man eine generelle Verweigerungshaltung, die sich in verbalen Äußerungen und Verhaltensweisen
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