Ratgeber Magersucht
Verkleinerung des Gehirns nachweisen: Es finden sich vergrößerte Ventrikel und eine Reduktion von grauer und weißer Gehirnmasse. Oft findet sich eine sekundäre Schilddrüsenunterfunktion. Trotz der extrem fettarmen Ernährung ist der Cholesterinspiegel Magersüchtiger oft drastisch erhört. Deutlich erhöhte Werte finden sich auch bezüglich des Stresshormons Cortisol. Durch die Einnahme von Appetitzüglern, Entwässerungsmedikamenten und Abführmitteln werden diese Symptome weiter verschärft. Manche dieser Folgeschäden können akut lebensbedrohliche Ausmaße annehmen, z. B. können Elektrolytstörungen zu Herzrhythmusstörungen und zum Tode führen.
Auch Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit und niedergeschlagene Stimmung, Gedankenkreise um das Essen, Verlust von Freude an sozialen Kontakten und Rückzug von Freunden, Hobbies und Interessen stellen typische Folgen des körperlichen Mangelzustands dar.
Der größte Teil dieser Folgeschäden ist durch das Erreichen eines gesunden Gewichts und die Normalisierung des Essverhaltens wieder rückgängig zu machen. Allerdings sind Störungen der Fruchtbarkeit und das frühere Entwickeln einer Osteoporose möglicherweise nicht reversibel.
1.6 Inwiefern ist von der Magersucht auch
das Umfeld betroffen?
Von Magersucht Betroffene sind in der Regel noch sehr jung (vgl. Seite 16 f. ) und leben in ihren Ursprungsfamilien, wenn sich diese Erkrankung entwickelt. Von den Eltern werden sie häufig als die Kinder beschrieben, die – im Gegensatz zu ihren Geschwistern – nahezu völlig problemlos in der Familie aufgewachsen sind. Mit der Erkrankung verändert sich aber nicht nur das Körpergewicht, sondern die Betroffenen werden auch im psychischen Bereich auffällig (vgl. Seite 13 ff. ), was von der Umwelt zumeist auch frühzeitig wahrgenommen wird. Die Angehörigen beginnen sich Sorgen zu machen, die sich weiter verstärken, umso mehr die Angehörigen den Eindruck gewinnen, dass die Magersüchtigen die Sorgen als unbegründet von sich weisen und dass sie die Erkrankung selbst nicht als Problem wahrnehmen. Aus dieser unterschiedlichen Bewertung der Erkrankung durch die Betroffenen einerseits und die Angehörigen andererseits entstehen oft Spannungen und Konflikte. Dies mündet häufig in einem Teufelskreis aus Kontrolle durch die Angehörigen und Zurückweisung durch die Erkrankten. Schließlich entsteht ein Klima des Misstrauens mit negativen Gefühlen auf beiden Seiten. Alle Beteiligten werden dadurch stark belastet. In extremen Fällen kommt es zu Beziehungsabbrüchen und langjährigen Zerwürfnissen. Betrachtet man solche Familienkonstellationen von außen, so könnte man geneigt sein, diese als Ursache der Erkrankung anzusehen. In einzelnen Fällen kann das tatsächlich auch der Fall sein. In der Regel ist aber davon auszugehen, dass sich aufgrund des Umgangs mit der Erkrankung in der Familie eine schwierige Familienkonstellation entwickelt, in der dann tatsächlich krankhafte Strukturen entstehen können. In solchen Fällen kann eine familientherapeutische Intervention sehr hilfreich sein.
Aber natürlich sind nicht nur die engsten Familienmitglieder von einer solchen häufig lebensbedrohlichen Erkrankung betroffen. Magersüchtige fallen durch ihr Untergewicht nahezu allen Interaktionspartnern auf und verunsichern diese. Einerseits werden diese jungen Menschen bei Beginn ihrer Erkrankung häufig aufgrund der Gewichtsabnahme und des schlanken Körperbaus bewundert, andererseits geraten sie mit der Zeit immer weiter in die Isolation, da Hilfeversuche von außen häufig nicht fruchten und die Helfer sich frustriert abwenden. Oft ziehen sich aber auch die Betroffenen immer weiter zurück, da sie kaum noch mit anderen zusammen essen können, gedanklich häufig nur noch auf Essen und die Kontrolle des Gewichts fixiert sind und soziale Kontakte als zu anstrengend erleben.
2 Wie entsteht eine Magersucht und warum geht sie nicht von allein weg?
Obwohl die Magersucht schon seit vielen Jahrhunderten bekannt ist und intensive Forschung auf diesem Gebiet betrieben wird, ist bisher die Ursache für die Entstehung der Magersucht nicht gefunden worden. Es gibt zahlreiche Theorien zu diesem Thema, eine Vielzahl von Ursachen der Störung wird diskutiert, u. a. eine genetische Veranlagung, neuropsychologische Fehlsteuerung oder Unter- bzw. Überversorgungen von Neurotransmittern im Gehirn, frühkindliche Fehlentwicklung, ein überfürsorglicher
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