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Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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womit Sie überhaupt nichts zu tun hatten, und das tut mir leid. Aber ich entschuldige mich nicht dafür, daß ich Sie als den Mann verachte, der Sie sind.«
    »Zumindest habe ich meine Seele nicht verkauft!« Greys Uniform war vom Schweiß gestreift, und er starrte Peter Marlowe böse an. Aber innerlich war er vom Haß auf sich selbst erstickt. Wie war das mit Smedly-Taylor, fragte er sich. Es ist richtig, auch ich habe mich verkauft. Ich habe es getan. Aber ich weiß wenigstens, daß das, was ich getan habe, falsch war. Ich weiß es. Und ich weiß auch, warum ich es getan habe. Ich hatte mich meiner Herkunft geschämt und wollte zur Klasse der Edelleute gehören. Zu Ihrer verdammten Klasse, Marlowe. Beim Militär. Aber jetzt könnte mir nichts so schnuppe sein. »Ihr verdammten Hunde habt die ganze Welt beim Wickel«, sagte er laut, »aber nicht mehr lange, bei Gott, nicht mehr lange. Wir, die Menschen, wie ich einer bin, wir werden noch quitt. Wir haben in diesem Krieg nicht gekämpft, damit man uns jetzt anspuckt. Wir werden noch quitt.«
    »Viel Glück dabei!«
    Grey versuchte, ruhig zu atmen. Er öffnete mit Anstrengung die geballten Fäuste und wischte sich den Schweiß aus den Augen. »Aber Sie, gegen Sie zu kämpfen, lohnt sich nicht. Sie sind tot!«
    »Fest steht, daß wir beide recht lebendig sind.«
    Grey drehte sich um und ging zur Tür. Auf der obersten Stufe drehte er sich nochmals um. »Eigentlich müßte ich Ihnen und dem King dankbar sein«, sagte er heftig. »Der Haß auf Sie beide hat mich am Leben erhalten.« Dann ging er davon und blickte sich kein einziges Mal mehr um.
    Peter Marlowe sah auf das Lager hinaus und dann in die Baracke zurück und auf den verstreuten Besitz des King. Er hob die Platte auf, auf der die Eier serviert worden waren, und bemerkte, daß sie bereits mit Staub bedeckt war.
    Geistesabwesend richtete er den Tisch auf und stellte in Gedanken verloren die Platte darauf. In Gedanken an Grey und an den King und an Samson und an Sean und an Max und an Tex und daran, wo Macs Frau jetzt wohl war und ob N'ai nur ein Traum gewesen war, und an den General und an die Außenseiter und an zu Hause und an Changi.
    Wie mag es sein, dachte er hilflos. Ob es wohl falsch ist, sich anzupassen? Falsch, zu überleben? Was hätte ich getan, wenn ich an Greys Stelle gewesen wäre? Was hätte Grey getan, wenn er an meiner Stelle gewesen wäre? Was ist gut, und was ist böse?
    Und Peter Marlowe erkannte schmerzhaft, daß der einzige, der es ihm vielleicht hätte sagen können, im eiskalten Meer auf der Fahrt nach Murmansk gefallen war.
    Seine Augen blickten auf die Dinge aus der Vergangenheit. Auf den Tisch, auf dem sein Arm geruht hatte, auf das Bett, auf dem er sich wieder erholt hatte. Auf die Bank, die der King und er geteilt hatten, auf die Sessel, in denen sie gelacht hatten – alles schon alt und halb vermodert.
    In der Ecke lag ein Bündel japanischer Dollar. Er hob sie auf und starrte sie an. Dann ließ er sie fallen, einen Schein nach dem anderen. Als die Geldscheine auf dem Boden lagen, ließen sich Fliegen darauf nieder, schwärmten auf und ließen sich wieder in Scharen darauf nieder.
    Peter Marlowe stand in der Tür. »Lebt wohl«, sagte er mit Entschlossenheit in der Stimme zu allem, was seinem Freund gehört hatte. »Lebt wohl, und danke.«
    Er verließ die Baracke und ging die Gefängnismauer entlang, bis er die Lastwagenkolonne erreichte, die geduldig am Tor von Changi wartete.
    Forsyth stand neben dem letzten Lastwagen, und er war über alle Maßen froh, daß sein Auftrag ausgeführt war. Er war erschöpft, und seine Augen trugen die Spur von Changi. Er gab den Befehl zur Abfahrt der Kolonne.
    Der erste Lastwagen rollte an und dann der zweite und der dritte, und alle Lastwagen verließen Changi, und nur einmal sah Peter Marlowe zurück.
    Als er weit weg war.
    Als Changi unter der Glocke eines tropischen Himmels wie eine bläulichweiße Perle in smaragdgrüner Austernschale wirkte – als Changi auf einer leichten Anhöhe stand, und ringsum war ein Gürtel von Grün, und in der Ferne wich das Grün dem blaugrünen Meer, und dann wich das Meer der Unendlichkeit des Horizonts. Und dann sah auch er nicht mehr zurück.
    In dieser Nacht war Changi von Menschen verlassen. Aber die Insekten blieben zurück.
    Und die Ratten.
    Sie waren noch immer da. Unter der Baracke. Viele waren gestorben, denn sie waren von denen, die sie gefangen hatten, vergessen worden. Aber die Stärksten waren

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