Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
Vom Netzwerk:
es keine. Lebensmittel zu verlangen war eine Schererei. Medikamente zu verlangen war eine Schererei. Irgend etwas zu verlangen war eine Schererei. Schon daß alle lebten, war eine Schererei.
    Für die Männer war Changi mehr als nur Gefängnis. Changi war Genesis, war Ort neuen Beginnens.

1
    D iesen verfluchten Bastard lege ich noch aufs Kreuz, und wenn ich dabei verrecke.« Leutnant Grey war froh, daß endlich laut ausgesprochen war, was ihm schon lange in den Gedärmen gewühlt hatte. Der Haß in Greys Stimme riß Unteroffizier Masters aus seiner Träumerei. Gerade hatte er an eine Flasche eisgekühltes australisches Bier, ein Steak mit Spiegelei darauf, an sein Zuhause in Sydney, seine Frau, deren Brüste und deren Duft gedacht. Er bemühte sich erst gar nicht, dem Blick des Leutnants zum Fenster hinaus zu folgen. Auch so wußte er, wer unter den halbnackten Männern gemeint sein mußte, die draußen auf dem Lehmweg den Stacheldrahtzaun entlangspazierten. Aber er war über Greys Ausbruch überrascht. Für gewöhnlich war der Sicherheitsoffizier von Changi verschlossen und unnahbar wie alle Engländer.
    »Schonen Sie Ihre Kräfte, Leutnant«, sagte Masters müde. »Die Japsen werden ihn noch früh genug fertigmachen.«
    »Zum Teufel mit den verfluchten Japsen«, fauchte Grey. »Ich will ihn hochnehmen. Hier in diesem Käfig will ich ihn haben. Und wenn ich ihn durch die Mangel gedreht habe – dann ab mit ihm ins Gefängnis an der Utramstraße.«
    Masters blickte entsetzt auf. »Utramstraße?«
    »Jawohl!«
    »Weiß Gott, ich kann begreifen, daß Sie ihn am Kanthaken nehmen wollen«, murmelte Masters, »aber, hm, das würde ich niemandem wünschen.«
    »Da gehört er hin. Und dahin werde ich ihn auch schaffen, denn er ist ein Gauner, Lügner und Blutsauger. Ein verfluchter Vampir, der sich auf unsere Kosten ernährt.«
    Grey stand auf und trat näher ans Fenster der stickig heißen MP-Baracke. Mit einer Handbewegung fegte er die Fliegen beiseite, die von den Fußbodenbrettern aufschwärmten. Gegen das gebrochene grelle Licht der hoch am Himmel stehenden Mittagssonne, die auf die hartgetretene Erde herabsengte, kniff er die Augen zusammen. »Bei Gott«, stieß er hervor, »ich werde uns alle rächen.«
    Viel Glück dabei, Kumpel, dachte Masters. Du kannst den King in die Pfanne hauen, wenn das überhaupt jemand kann. Du hast das richtige Quantum Haß in dir. Masters mochte keine Offiziere und erst recht keine Militärpolizei. Grey verachtete er ganz besonders, denn Grey war vom Mannschaftsstand zum Offizier befördert worden und versuchte dies vor den übrigen zu verbergen.
    Aber Grey war nicht allein in seinem Haß. Ganz Changi haßte den King. Alle haßten ihn wegen seines muskulösen Körpers und des klaren Glanzes seiner Augen. In dieser zwielichtigen Welt Halblebender gab es nicht dicke oder wohlgestalte, keine runden oder schlanken noch schön gebaute oder untersetzte Männer. Es gab nur von Augen beherrschte Gesichter auf Körpern, die aus Haut über Sehnen über Knochen bestanden. Es gab keinen anderen Unterschied zwischen ihnen als Alter und Gesicht und Größe. Und in dieser Welt aß nur der König wie ein Mann, rauchte wie ein Mann, schlief wie ein Mann, träumte wie ein Mann und sah aus wie ein Mann.
    »He! Sie«, bellte Grey. »Korporal! Kommen Sie mal her!«
    Der King hatte Grey schon wahrgenommen, als er um die Gefängnisecke gebogen war, nicht nur weil er ins Schwarz der MP-Baracke hineinsehen konnte, sondern auch weil er Grey als Gewohnheitsmenschen kannte. Wenn man einen Feind hat, ist es schließlich klug, seine Gewohnheiten und Lebensweise zu kennen. Der King wußte so viel über Grey, wie ein Mensch überhaupt über einen anderen wissen kann.
    Er trat vom Weg herunter und ging auf die alleinstehende Baracke zu, die wie ein Pickel unter Schwären zwischen den anderen Baracken stand. »Sie haben gerufen, Sir?« Der King salutierte. Sein Lächeln war höflich. Die Sonnenbrille verbarg die Verachtung in seinen Augen.
    Von seinem Fenster aus starrte Grey auf den King hinunter. Seine straffen Gesichtszüge verbargen den Haß, der ein Teil seiner selbst war. »Wo gehen Sie hin?«
    »Zu meiner Baracke, Sir«, antwortete der King geduldig, und dabei lief sein Hirn auf Hochtouren – war ein Fehler unterlaufen, hatte jemand gepfiffen, was war mit Grey?
    »Wo haben Sie das Hemd her?«
    Der King hatte das Hemd am Tag zuvor von einem Major gekauft, der es zwei Jahre lang für den Tag saubergehalten hatte,

Weitere Kostenlose Bücher