Raumfahrergarn
Asteroiden bemühen, sobald ich’s mir leisten kann«, brach Lunzie das Schweigen. »Vielleicht kann ich einen Profit machen.« Ihr Worte hallten von den gerillten Metallwänden des Raumhafens wider. Außer ihnen schien niemand hier zu sein. »Wir werden eine Menge Geld machen, hörst du? Du wirst auf jede Universität gehen können, die dir gefällt, oder dich in der Flotte zum Offizier ausbilden lassen wie mein Bruder. Was immer du willst.«
»Mhm«, war Fionas einziger Kommentar. Ihr Gesicht war zu einer so tragischen Maske erstarrt, daß Lunzie zum Lachen und Weinen zugleich zumute war. Fiona hatte kein Make-up aufgetragen, deshalb sah sie etwas kindlicher aus als der Teenager, den sie sonst so gern herauskehrte.
Paß auf, sie versucht dich zu manipulieren, dachte Lunzie. Ich muß unseren Lebensunterhalt verdienen, was soll sonst aus uns werden? Ich weiß, daß ich ihr Kummer bereite, aber ich werde doch nur zwei Jahre lang weg sein, höchstens fünf! Die Nase des Mädchens wurde rot, und sie hatte die blassen Lippen fest aufeinandergepreßt. Lunzie wollte noch etwas Tröstliches sagen, dann begriff sie aber, daß sie jetzt Fiona zu manipulieren und ihr legitime Gefühle auszureden versuchte. Ich will keine Szene machen, deshalb versuche ich zu verhindern, daß sie unglücklich erscheint. Sie preßte die Lippen aufeinander. Wir sind uns so ähnlich, das ist unser Problem, dachte sie und schüttelte den Kopf. Sie drückte Fionas Hand fester. Schweigend gingen sie zur Landebucht.
In Landebucht 6 lag eines der großen Frachtshuttles für Raumfahrer, die mehr Gepäck mitführten als gewöhnliche Passagiere. Dieses einst strahlend weiß lackierte Schiff, das ein breiter roter Streifen von der Nase bis zum Heck zierte, war zerkratzt und verbeult. Die Keramikbeschichtung unter der Nase war von Landeanflügen durch Planetenatmosphären stellenweise angesengt, aber ansonsten schien das Schiff gut gewartet und in guter Verfassung zu sein. Ein breitschultriger Mann mit schwarzem Kraushaar stand mitten in der Bucht, wedelte mit einem Klemmbrett und erteilte einer Handvoll Arbeitern in Overalls Befehle. Versiegelte Container wurden mit Gabelstaplern in die offene Frontluke des Shuttles befördert.
Der Schwarzhaarige bemerkte sie und kam ihnen mit ausgestreckter Hand entgegen.
»Sind Sie die neue Ärztin?« fragte er und drückte Lunzies Hand freundschaftlich. »Ich bin Captain Cosimo von der Bergbaugesellschaft Descartes. Es freut mich, Sie bei uns zu haben. Hallo, junge Dame.« Es sah fast wie eine Verbeugung aus, als Cosimo Fiona zunickte. »Sind das ihre Taschen, Doktor? Marcus! Bring die Taschen der Frau Doktor an Bord!«
Lunzie hielt Cosimo den kleinen Memokubus hin, der ihren Vertrag und ihre Weisungen enthielt. Cosimo steckte ihn ins Klemmbrett. »Alles in Ordnung«, sagte er und überflog die Anzeige auf dem Bildschirm. »Wir starten in zwanzig Minuten. Die Luken schließen bei T minus zwei.« Mit einem letzten Lächeln für Fiona begab er sich wieder zu seinen Leuten. »Paß auf, Nelhen, das ist ein Gabelstapler, kein Spielzeug!«
Lunzie wandte sich Fiona zu. Ihre Kehle zog sich zusammen. Alles, was sie hatte sagen wollen, kam ihr banal vor im Vergleich zu dem, was sie in diesem Augenblick empfand. Sie räusperte sich und versuchte, nicht zu weinen. Fionas Augen waren tränenfeucht. »Es bleibt nicht mehr viel Zeit.«
»O Mama.« Fiona brach in ein Schluchzen aus. »Ich werde dich so vermissen!« Die fast erwachsene Fiona, die alles Kindliche verachtete und ihre Mutter seit früher Kindheit Lunzie nannte, verfiel von einem Moment zum anderen auf den Namen, den sie seit Jahren nicht ausgesprochen hatte. »Ich werde dich auch vermissen, Fi«, gestand Lunzie und war gerührter, als sie sich eingestehen wollte. Sie hielten einander in den Armen und vergossen ehrliche Tränen. Lunzie ließ alles heraus und fühlte sich hinterher besser. Letztlich konnten weder Lunzie noch jemand aus ihrer Familie je unehrlich sein.
Als das Signalhorn tönte, löste sich Fiona mit einem letzten feuchten Kuß von ihr und trat zurück, um den Start zu beobachten. Lunzie fühlte sich ihr näher als je zuvor. Sie prägte sich fest ein, wie Fiona ihr zuwinkte, als das Shuttle abhob und über den blauvioletten Himmel von Tau Ceti davonflog.
Mit Ausnahme ihrer Tagesuniform, einer Musikdiskette und dem Hologramm war ihr Gepäck inzwischen mit dem aller anderen sicher in dem kleinen Lagerraum hinter den Duschen verstaut. Lunzie hatte
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