Raumschiff der toten Seelen
Har-Con nachdenklich. „Aber es wurde niemals ein Hinweis gefunden, ob er jener Stern ist, auf dessen Planeten wir landen sollen. Bekanntlich sind wir verloren, wenn unser Zielstern keine Planeten besitzt, denn es wird unmöglich sein, das große Schiff wieder auf einen neuen Kurs zu setzen – außer auf einen planetarischen. Unter den Planeten selbst können wir wählen, aber nicht mehr unter den Sonnen.“
Der Erste Offizier schüttelte den Kopf.
„Manchmal meine ich, die Erbauer hätten nicht sehr weise gehandelt, indem sie uns nur so wenig Bewegungsfreiheit ließen.“
Har-Con sah den anderen fast vorwurfsvoll an. Einem unsichtbaren Beobachter wäre mit Schrecken aufgefallen, daß sich beide Männer ähnlich sahen wie Zwillinge. Das einzige Unterscheidungsmerkmal war die Kleidung, und der in Brusthöhe der Jacke eingestickte Name.
„Wir wissen nicht, warum sie so handelten, aber es wäre ungerecht, sie nicht weise zu nennen. Sie erbauten unser Schiff, schickten uns auf die lange Reise und berechneten alles im voraus. Ich weiß, daß sie es schon einmal taten, vor vielen Jahrhunderten. Aber es war alles ganz anders. Damals ging in dem Sternenschiff das Leben gewissermaßen weiter, und als es endlich den Bestimmungsort erreichte, befand sich niemand mehr an Bord, der den Heimatplaneten kannte. Sie alle waren Kinder des Weltalls, während des Fluges geboren. Sie hatten die Verbindung zur Erde verloren.“
Par-Ker nickte und betrachtete dann wieder den intensiv funkelnden Stern, von dem niemand wußte, ob er das Ende der Reise bedeutete.
„Wir sind Kinder eines Planeten“, gab er zu, „wenn mir auch scheint, daß vieles inzwischen vergessen wurde. Obwohl wir uns nun fast 200 Jahre im Weltraum befinden, wurde niemals ein Kind geboren – gewissermaßen ein Vorgang, der uns unverständlich ist. Warum ist er das, Har-Con?“
Der Kommandant zuckte die Schultern.
„Wie soll ich das wissen? Wir sind unsterblich und werden wahrscheinlich ewig leben. Wozu benötigen wir Nachwuchs?“
„Sicher, wir benötigen keinen. Aber – sind auch die Erbauer unsterblich? Warum waren es die Teilnehmer der ersten Sternenexpedition nicht? Sie reproduzierten sich während der langen Reise selbst, wir aber nicht.
Wir wissen nicht einmal, wie dieser merkwürdige Vorgang vor sich geht.“
„Wir sind ausgesuchte Exemplare der menschlichen Gattung“, klärte der Kommandant seinen Ersten Offizier auf, aber man hörte ihm an, wie unsicher er war.
„Die medizinische Genialität der Erbauer dieses Schiffes machte uns unsterblich – vielleicht nur für die Dauer dieses Fluges. Vielleicht sterben wir, wenn wir den Boden einer neuen Welt betreten – vielleicht auch nicht.
Es kann sein, daß wir ewig leben werden.“
„Es wäre sinnlos, stürben wir“, machte Par-Ker seinen Kapitän auf die Unlogik in dessen Gedanken aufmerksam. „Dann wäre unsere Mission unsinnig gewesen.“
Das sah Har-Con sofort ein.
„Natürlich wäre sie das. Aber angenommen, unsere Körperfunktionen änderten sich nach der Landung. Es kann ja auch sein, daß uns nur die Strahlung des Raumes und die Schwerelosigkeit in der Zentralachse des Schiffes unsterblich machte.“
„Ohne daß die Erbauer es wußten?“ Par-Ker schüttelte den Kopf. „Nein, das ist unmöglich! Wir unterhielten uns schon oft darüber. Ich bin davon überzeugt, daß sie klug handelten, wenigstens was die Besatzung der HOPE anbetraf. Sie verlängerten unser Leben durch einen medizinischen Eingriff, der uns unbekannt ist.
Nicht einmal eine Krankheit gibt es bei uns, während ich mich genau entsinne, daß die Erbauer an solchen litten. Wir sind anders als sie, lebensfähiger und kräftiger, eher für die Kolonisation einer neuen Welt geeignet.
Aber auf einem anderen Gebiet bin ich mir sicher: der an uns vorgenommene Eingriff verlängerte zwar unser Leben um eine uns unbekannte Spanne, aber er zerstörte auch zum größten Teil unser Erinnerungsvermögen. Was wissen wir denn noch von der Heimat, jenem dritten Planeten des Systems Sol?“
„So gut wie nichts“, gab Har-Con zu. „Sie nahmen uns die Erinnerung. Vielleicht nur deswegen, um uns den Flug zu erleichtern und damit auch das Einleben auf einer uns fremden Welt.“
Par-Ker nickte, schwieg aber.
Auf dem ovalen Bildschirm, der ständig eingeschaltet war, hatte sich nichts geändert. Immer noch dominierte der helle Stern mit dem Namen Sirius, dessen Entfernung genauso unbekannt geblieben war wie seine Bedeutung. Es
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