Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
unnatürlich weit geöffneten Augen in sein Glas.
    »Welche Frist?«
    »Frist?« Pendrose schreckte auf. »Oh ... ja, entschuldigen Sie. Ich glaube, ich erzähle Ihnen die Geschichte am besten ganz von vorn. Ich war vor zwei Jahren noch Student, Archäologie im letzten Semester. Ich und Jeffrey ...«
    »Wer ist Jeffrey?«
    »Mein Cousin«, antwortete Pendrose. »Wir sind mehr als das, wissen Sie. Wir sind Freunde. Oder waren es, damals. Jedenfalls hatten wir uns vorgenommen, in unseren letzten Semesterferien eine ausgedehnte Orientreise zu unternehmen. Wir hatten nicht viel Geld. Wir zogen einfach los, trampten, arbeiteten unterwegs für Essen und Unterkunft und zogen weiter. Schließlich erreichten wir Griechenland, dann die Türkei, Irak ... Es war eine herrliche Zeit. Bis - bis zu jener Nacht. Wir hatten den Chad-el-arab erreicht, den Grenzfluss zwischen Irak und Iran. Damals waren die politischen Verhältnisse dort unten noch anders, und man konnte sich als Ausländer noch ziemlich ungefährdet dort bewegen. Wir wollten über den Fluss und nach Persien hinein, aber wir fanden keine Fähre, sodass wir gezwungen waren, unter freiem Himmel zu übernachten. Die Nächte können dort unten ekelhaft kalt werden. Man kann sogar erfrieren, wenn man nur im Schlafsack übernachtet. Also suchten wir uns eine Höhle. Es wimmelte dort nur so von Höhlen, Raven. Wir suchten uns also eine Höhle, schlugen unser Lager auf und legten uns schlafen. Ich wenigstens. Jeffrey hatte der Forscherdrang gepackt. Er nahm seine Taschenlampe und machte sich daran, den Hintergrund der Höhle zu untersuchen. Man trifft dort unten manchmal auf Felsmalereien. Aber er fand keine. Dafür ...«
    Er brach ab, schüttelte sich und schloss die Augen. Auf seinem Gesicht erschien ein gequälter Ausdruck.
    »Es war etwa gegen Mitternacht«, fuhr er nach einer Pause fort. Seine Stimme sank zu einem leisen, kaum verständlichen Flüstern hinab, »als der Alte erschien.«
    »Was für ein Alter?«
    »Ein alter Mann. Wir konnten sein Gesicht nicht erkennen - er trug einen Burnus mit Kapuze, aber er muss sehr alt gewesen sein nach der Art zu schließen, wie er ging und sprach. Er tauchte einfach in der Höhle auf und - sprach uns an. Er muss genau gewusst haben, wo wir waren. Und er sprach ausgezeichnet Englisch. Fast akzentfrei.«
    »Was wollte er?«
    »Zuerst dachten wir, er wollte uns etwas verkaufen. Er zeigte uns Schmuck und alte Waffen ... Jeffrey war ganz aus dem Häuschen, aber der Alte gab nichts her. Aber er wollte uns zeigen, wo noch mehr davon zu finden war. Sie können sich denken, dass wir nicht lange gezögert haben und mit ihm gegangen sind.«
    Raven nickte. »Natürlich.«
    »Ja. Wir folgten ihm also zu einer anderen Höhle, ganz in der Nähe unseres Schlafplatzes. Aber da waren keine Schätze, sondern eine Art - Tempel. Direkt aus dem Fels gehauen, wissen Sie, so eine alte Kultstätte mit Altären und kostbaren Wandgemälden und Teppichen. Und dann verschwand der Alte.«
    »Verschwand?«, echote Raven.
    Pendrose nickte. In seine Augen trat ein seltsames, fast wehleidiges Glitzern. »Ja. Er ging nicht weg oder so - er verschwand ganz einfach. Wir waren plötzlich allein in diesem unterirdischen Labyrinth. Wir versuchten, den Ausgang wieder zu finden, aber wir verirrten uns hoffnungslos. Ich weiß nicht, wie lange wir durch die Gänge und Stollen geirrt sind, wahrscheinlich stundenlang - aber wir kamen immer wieder zum Tempel zurück. Es war wie verrückt - alle Wege schienen dorthin zu führen, ganz egal, in welche Richtung wir gingen. Schließlich gaben wir auf und ließen uns erschöpft zu Boden sinken.«
    Er trank mit hastigen, großen Schlucken. Die Erinnerung schien ihm körperliche Qual zu bereiten, aber er zwang sich, mit ruhiger Stimme weiterzureden.
    »Wir schliefen ein, total erschöpft, wie wir waren. Schließlich weckte uns ein Geräusch. Es hörte sich an wie - wie Pferdegetrappel. Wir standen auf. Unsere Taschenlampen waren fast leer, aber das Licht reichte gerade noch aus, um zu erkennen, was da auf uns zukam. Es war ein - ein Reiter. Oder der Schatten eines Reiters.«
    »Der Schatten? Wie meinen Sie das?«
    Pendrose lächelte schmerzlich. »Ich kann es nicht besser erklären. Wir konnten seinen Körper nicht richtig erkennen. Er schien irgendwie substanzlos, nur ein - Schatten, ein überlebensgroßer schwarzer Schatten, der sich vor uns in der Luft abzeichnete. Und dann sprach er zu uns. Er sagte, dass wir in sein Reich

Weitere Kostenlose Bücher