Reagans Satellit
beizuwohnen.
Auf dem Startfeld standen drei schimmernde Raketen vom Typ Amazonas, jede mit einem Titanium-Träger beladen. Natürlich mußte der Satellit im Raum montiert werden; vorerst war keine Rakete imstande, eine komplette Raumstation in eine Kreisbahn zu befördern, erst recht also keinen Satelliten dieser Größe. Man mußte die Fertigteile einzeln ins All transportieren und dort ineinanderfügen lassen, von Arbeitern in Schutzanzügen mit Rückstoßdüsen. Ungehindert von der irdischen Schwerkraft, würden sie die Montage fünf- oder zehnmal schneller durchführen können als auf der Erde. Jedenfalls hofften Regan und die Aero do Brasil darauf.
Neben ihm, zu beiden Seiten, standen Novaes und Moeller. Die beiden ähnelten einander – zwei plumpe, kurzgewachsene, heiter dreinblickende Männer von etwa fünfzig Jahren, mit glänzenden schwarzen Haaren, öliger Haut und aufgeblasenen Persönlichkeiten. Moeller winkte mit einer schwammigen Hand, ein Ingenieur schloß mit einem achtlosen Fingerdruck einen Kontakt, und die erste Rakete erhob sich vom Startfeld. Die Leute der Aero do Brasil hatten längst jenes Anfangsstadium überwunden, in dem man vor jedem Raketenstart vor Erregung auf den Nägeln kaute, und heute zählten Fehlschläge zu den Ausnahmen.
Novaes begann in brüchigem Baß zu singen. Moeller schlug Regan auf den Rücken und schrie: »Es geht los, Senhor Faktorist!« Jemand reichte Regan ein Glas. Es enthielt brasilianischen Champagner, zum Erbrechen süß. Augen ruhten auf ihm. Er schlürfte das Zeug, als sei es Ambrosia, und das Glas wurde sofort nachgefüllt. Die zweite Rakete startete. Novaes sang nun etwas, wobei es sich anscheinend um eine portugiesische Wagner-Fassung handelte. Regan, der ein drittes Glas fürchtete, ließ sich diesmal Zeit.
Er blickte in den unangenehm blauen Tropenhimmel empor. Soeben verschwand die dritte Rakete hinter dem Horizont. Nicht mehr lange, und dort oben würde ein metallener Mond Gestalt annehmen – der bislang größte künstliche Satellit. Er entsann sich – es war eine seiner frühesten Erinnerungen –, einmal den Mond angestarrt zu haben, als er wie eine verbeulte Silbermünze am Nachthimmel hing. Ich will ihn haben, hatte er gesagt, und sein Vater lachte. Ich will ihn haben! Sein Vater hatte ihn vertröstet. Vielleicht bekommst du ihn, wenn du erwachsen bist, lautete seine Antwort.
Das war 1959 gewesen, als er vier Jahre alt war. Damals hatte man die ersten winzigen Satelliten gestartet. Seither waren einunddreißig Jahre verstrichen, und der Mond gehörte Regan noch immer nicht. Er war sogar für immer seinem Zugriff entzogen, da man ihn zum UNO-Territorium unter internationaler Verwaltung erklärt hatte. Er war zweimal dort gewesen (und einmal auf dem Mars), und das unterschied ihn von den meisten Menschen; aber es gab keine Möglichkeit, sich den Mond anzueignen.
Nun, jetzt baute er seinen eigenen Mond. Das war die Art, auf die Claude Regan seinen Willen durchsetzte. Da er den Mond, entgegen seiner Absicht, nicht bekommen konnte, schuf er sich einen Mond, Claude Regans Mond, der auch lange nach seinem Tod am Firmament schimmern würde.
4.
Einen Mond zu bauen, kostete natürlich Geld.
Die Vereinigten Staaten hatten eine Milliarde beigesteuert. Kurz darauf entschloß sich Brasilien, für die Weltausstellung 200 Millionen Dollar zu stiften. Es war ein Anfang – doch Regan benötigte viele Milliarden. Er mußte Beiträge von den an der Weltausstellung beteiligten Ländern einholen, er hatte Zuschüsse beizubringen, woher sie auch kommen mochten. Regan war nun völlig mit den Vorbereitungen zur Weltausstellung ausgelastet, und die Global Factors Inc. besaß plötzlich nur noch zweitrangige Bedeutung für ihn. Er hielt den Kontakt und ließ sich in Denver blicken, sooft es ging, doch der Hauptanteil der Arbeit blieb seinem Stellvertreter überlassen, Tim Field; der machte seine Sache gut. Regan widmete sich ganz und gar dem Problem der Finanzierung.
»Wir brauchen sofort sechs Milliarden«, berichtete Martinelli. »Brasilien wird im kommenden Monat die nächste Rate anfordern, und wir müssen die Pavillons erstellen.«
»Woher sollen wir sie nehmen?« fragte Henderson.
»Obligationen«, schnauzte Regan. »Drei Prozent, Fälligkeiten zwischen 1993 und 1998, zahlbar aus dem Gewinn der Weltausstellung.«
Henderson riß die Augen auf. »Sechs Milliarden? Noch nie hat jemand Schuldscheine in solcher Höhe ausgegeben.«
»Es hat auch noch
Weitere Kostenlose Bücher