Rebellin der Liebe
und warteten darauf, dass sich der Schleier vor dem Mond abermals lüftete und das Tal erneut in seinen silbrigen Glanz tauchte.
Bannors schlimmste Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Der jetzt durch das Tal heulende Wind hatte die Spuren mit einem jungfräulichen Teppich frischen Schnees bedeckt.
»Sieh nur, Papa!« rief plötzlich Mary Margaret, wobei sie zum Fuß des Hügels wies.
Sein Griff um die Zügel des Rosses verstärkte sich. Obgleich es ihn bis ins Mark erschütterte, sich vorzustellen, dass Willow ohne ihren Umhang durch die Kälte lief, betete Bannor, dass ihr das Stück einfach von den Schultern geglitten und dass Stefan entweder zu blöd oder zu grausam gewesen war, um zu erlauben, dass sie sich danach bückte.
»Wartet hier«, befahl er seinen Kindern und rutschte von seinem Pferd.
Zum ersten Mal in ihrem Leben kamen sie seinen Worten ohne Widerrede nach.
Bannor rannte den Hügel hinunter, doch unten angekommen, zögerte er.
Als der Mond sich vollends hinter einer dichten Wolkenwand versteckte, griff er nach dem sich im Wind blähenden Stück Stoff. Er freute sich bereits auf den Moment, wenn er es aus dem Schnee ziehen, erleichtert auflachen und in die Luft halten würde, um seinen Kindern zu zeigen, dass es kein Gegenstand zum Fürchten war.
Der Mond tauchte wieder auf und beleuchtete die Szene mit einer beinahe bewussten Grausamkeit.
Eine einzelne dunkle, zu Eis erstarrte Locke, ein winziges Stückchen marmorkaltes Fleisch, ein schlanker Fuß, der warm und sicher in dem Hirschlederschuh stecken sollte, den er in einem Beutel nahe seinem Herzen trug.
Bannor sank taumelnd auf die Knie und scharrte wie wahnsinnig den harten Schnee zur Seite. Als er Willow endlich in seine Arme zog, erscholl auf der Kuppe des Hügels ein gellender, seinen eigenen Schmerz spiegelnder Schrei. Durch einen Schleier der Verzweiflung sah er, dass Beatrix sich in Bewegung setzte, doch dass Desmond sie zurückhielt und ihr Gesicht an seine Schulter zog.
Bannor zerrte die Fesseln von Willows Handgelenken und strich ihr aufschluchzend den Schnee aus dem Gesicht. Die Zeit lief plötzlich rückwärts, sodass er nicht mehr Bannor, Herr von Elsinore, sondern ein furchtsamer, sechsjährigerjunge war, der nicht verstand, weshalb seine Mama trotz seines Flehens nicht aufwachte. Als er Willows für ewig in süßer Ruhe erstarrtes Gesicht betrachtete, verstand er nach all den langen Jahren, dass seine Mutter nicht an ihrer Liebe, sondern an einem Mangel an Liebe gestorben war.
»Oh, Herr im Himmel, verzeih mir«, flüsterte er erstickt, zog Willow gramerfüllt an seine Brust, vergrub sein Gesicht in ihren kalten, steifen Locken und wiegte sie verzweifelt hin und her. »Ich liebe dich, Willow«, wisperte er und Tränen des Elends rannen über sein Gesicht. »Ich habe dich von der Sekunde an geliebt, in der ich dich zum ersten Mal gesehen habe, und ich werde dich lieben, bis ich sterbe.«
Bannor bedeckte ihre starren Lippen mit einem sanften Kuss, und seine Tränen tropften wie warmer Frühlingsregen auf ihre kalte Haut. Er war derart betäubt von seiner Trauer, dass er zuerst nicht bemerkte, dass sie seinen Kuss erwiderte.
Dann jedoch schrie er auf und stolperte so entgeistert rückwärts, dass er sie beinahe fallen ließ. »Gütiger Himmel, ich dachte, du wärst -«
»Tot?« Willow unterdrückte ein Gähnen und befahl sich, die Augen zu öffnen. »Mach dich doch bitte nicht lächerlich. Ich habe mich nur ein wenig ausgeruht.« Ein Schauer rann durch ihren Körper. »Es war so entsetzlich kalt, aber dann hat mich der Schnee zugedeckt und mich gewärmt. Ich wusste, wenn ich einschliefe, kämst du zu mir.« Sie sah ihn mit einem übermütigen Feixen an. »Du bist mir bereits im Traum erschienen, als ich noch ein kleines Mädchen war.«
Immer noch beunruhigt über ihre Auferstehung, strich Bannor ihr die steifen Locken aus der Stirn. »Und wer meinst du, dass ich bin?«
Sie sah ihn strahlend an. »Du bist mein Prinz. Mein Gatte, der Mann, den ich liebe. Und der Vater meines Kindes.« Mit einem seligen Lächeln legte sie seine Hand auf ihren Bauch.
Bannor betrachtete sie ehrfürchtig. In ihrem Leib wuchs ein kostbares neues Leben heran. Ein Leben, das Willows Haut wärmte, das ihre Wangen rötete, das wie süßer Nektar durch ihre Adern rann.
Als er sie in tiefer Dankbarkeit noch fester in seine Arme zog und tausend Küsse auf sie niederregnen ließ, hallten die Freudenjuchzer seiner Kinder wie Musik in seinen Ohren.
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