Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)
Wakefield!«, verkündete die Dienstbotin theatralisch und überflüssigerweise, wie Victoria mit trockenem Humor feststellte. Sie bezweifelte, dass der Herzog am heutigen Tag noch andere, fremde Besucher erwartete.
Victoria holte Luft und setzte zu ihrer vorbereiteten, versöhnlichen Begrüßungsrede an, doch der Mann fing zu sprechen an, bevor sie noch den Mund aufbekam.
»Danke, Mrs. Peasebody. Sie dürfen gehen. Und nehmen Sie Lady Victorias Anstandsdame mit. Sie wird hier keine brauchen.«
Der Klang seiner tiefen, volltönenden Stimme brachte Victoria ins Stocken. Irgendwie hatte sie etwas anderes erwartet – eine reizbare, hochmütige Stimme oder ein nasales Gequengel -, aber nicht dieses unerschütterliche Selbstbewusstsein, das aus jeder samtenen Silbe drang. Die Tür fiel ins Schloss, und Victoria stellte fest, dass Dyer, ohne auf Erlaubnis zu warten, mit der Dienstbotin verschwunden war. Victoria unterdrückte einen irrationalen Anflug von Wut.
Sie spürte, dass ihr die Initiative entglitten war, also sammelte sie all ihren Gleichmut, schlenderte zum nächstbesten Sessel und setzte sich, ohne abzuwarten, dass der Duke ihr einen Platz anbot. Schließlich war er nicht aufgestanden, als sie hereingekommen war, also gab es keinen Grund, anzunehmen, dass er plötzlich anfangen würde, den aufmerksamen Gastgeber zu spielen.
Sie hatte vorgehabt, den Herzog zu besänftigen und seinem Ego zu schmeicheln, aber nun überdachte sie ihren Plan eilig. Raeburn war vielleicht wirklich so arrogant, wie die Hasstiraden ihres Bruders es verhießen, aber seine Vorbereitungen waren von einer Gerissenheit, die sie zögern ließ. Er hatte alles getan, was er konnte, damit sie sich wie ein Eindringling fühlte. Er hatte die Szene sorgsam inszeniert und sie sogar ihrer Begleiterin beraubt, kaum dass sie durch die Tür gekommen war. Hätte Victoria auf Dyers Unterstützung vertraut, die schnelle Entlassung der Kammerzofe hätte sie sehr allein und verletzlich zurückgelassen.
Nun, sie war nie der zerbrechliche Typ gewesen, aber der Duke hatte etwas... Beunruhigendes an sich. Er verströmte von seinem dunklen Platz in der Ecke aus eine reservierte Wachsamkeit, eine Art von Präsenz, die sie erzittern ließ.
Victoria saß auf ihrem kompliziert verschnörkelten Stuhl und verzog den Mundwinkel zu jenem Ausdruck von mildem, unverbindlichem Interesse, den sie schon seit langer Zeit beherrschte. Sie hegte kaum Zweifel, dass der Herzog im trüben Licht des Feuers ihr Gesicht sehen konnte; er hatte die Begegnung sorgsam vorbereitet, um ja keine Unsicherheit aufkommen zu lassen, wer hier Herr der Lage war.
Er schien zu erwarten, dass sie das Schweigen brach, aber sie hatte ein armseliges Blatt und würde sich erst in die Karten sehen lassen, wenn sie dazu gezwungen war, also wartete sie ab, dass er die Geduld verlor und zu sprechen anfing.
Byron Stratford, Duke of Raeburn, betrachtete die Frau amüsiert und drehte langsam ein Glas Scotch in seinen Fingern. Sie war nicht das, was er erwartet hatte – nach ihrem Brief zu schließen nicht und aus der Bekanntschaft mit ihrem Bruder erst recht nicht. Wo Gifford dunkel und verwegen war, war sie hell und unelegant; wo er dandyhaft war, war sie nüchtern bis zur Strenge; wo ihn die Aura des Extravaganten umwehte, schien sie fast verbissen beherrscht. Er hatte von der Schwester des ungestümen Viscounts eine aufgebrachte Tirade erwartet, aber als sie den Raum betreten hatte, hatte er begriffen, wie lachhaft es gewesen war, sich von ihr etwas Derartiges vorzustellen.
Er hatte vermutet, Lady Victoria sei jünger als ihr Bruder, aber sie schien mindestens ein halbes Dutzend Jahre älter zu sein. Er hatte sie für unbesonnen gehalten, weil sie seine halb scherzhafte Einladung angenommen hatte, aber jetzt verstand er, warum sie sich keine Sorgen wegen des Skandals gemacht hatte. Jedes Detail wies sie als respektable alte Jungfer aus, von ihrem festen hellblonden Haarknoten, dem affektierten hochnäsigen Lächeln bis zu ihrem schrecklich unvorteilhaften Reisekleid. Nein, sie war über jeden Verdacht erhaben.
Er nahm einen Schluck von seinem Scotch und genoss es, wie er langsam die Kehle hinunterlief. Er würde sehr viel Freude daran haben, mit ihr zu spielen – sie, falls möglich, zu provozieren, bis sie die eiserne Selbstkontrolle vergaß und sich als die heißblütige Wakefield zeigte, die sie unter der kühlen Fassade immer noch sein musste. Und dann würde er sie mit einer gleichgültigen
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