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Rechnung offen

Rechnung offen

Titel: Rechnung offen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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hatten sie gesessen, hatten sich gerade kennengelernt, gefrühstückt, jenseits der beschlagenen Scheibe dämmerte es. Sie hatte die Hände unter ihre Oberschenkel geschoben, um sie nicht in die Haare über seiner Stirn zu schieben, ihre gespreizten Finger in braune Strähnen. Das Kondenswasser war an der Scheibe herabgelaufen, hatte kleine Pfützen unter der Heizung gebildet. Claas hatte konzentriert auf die Tischplatte gesehen, ihr den Aufziehmechanismus erklärt, beschrieben, wie er die Räder geölt und nach welchem System er sie geordnet hatte. Wie die Holzkiste aussah, in der er sie aufbewahrte. »Und wo sind die Autos jetzt«, Theresa hatte ihre Finger zwischen seine gedrängt, die Handrücken rot-weiß gestreift, Druckstellen ihrer Cordhose. »Weg. Mit dem Hammer hat er sie zerkloppt. Hat die Kiste mitgenommen, in den Keller zu seiner Werkbank. Jedes Auto einzeln, deng, deng, deng.« Bei jedem Deng hatte Claas mit der Hand auf den Tisch geschlagen, das beiseitegelegte Besteck klirrte auf den Tellern, seine Lippen hochgezogen bis zum Zahnfleisch, die Zähne freigelegt. »Meine werte Frau Mutter war der Auffassung, ich sei faul.« Das werte Frau Mutter misslang, bitter seine Stimme.
    Die Stadtautobahn war leer am späten Vormittag, Theresa sah der Tachonadel zu, die sich Strich für Strich vorarbeitete. Sie hielt eine Vorlesung, ein rechtsvergleichendes Seminar pro Semester. Die Vorlesung war ein Witz, Sprachkompetenz, nicht Rechtsvermittlung sei das Ziel der Veranstaltung, stand im Vorlesungsverzeichnis. Der Kollege, der Einführung in das englische Recht hielt, projizierte sein Skript per Beamer an die Wand und las es vor, der Aussprache halber.
    Abfahrt Hohenzollerndamm, sie könnte weiterfahren, im Kreis, die Stadtautobahn entlang, das musste gehen, einmal im Kreis, sie fuhr auf die Abfahrt. Unter Juristen gilt ein Psychologe nichts. Theresa wartete auf die Ruhe, die sich einstellte, wenn sie die dichten Baumkronen der Gärten und Parks zwischen den Häusern sah. Dahlem, Heimat. Genau dafür hatte sie studiert. Sie hatte zwischen sauberem Grün und weißen Mauern, von denen der Anstrich nicht abplatzte, unbehelligt nachdenken wollen. Im gelben Geröll und rötlichen Staub ihrer Kindheit, in dem die Sonne binnen Stunden aus allem die Farbe sog, war Grün Wohlstand gewesen. Pflanzen wuchsen, wo Wasser war, und Wasser war, wo es hingegossen wurde, aus Eimern, Gießkannen und Schläuchen. Wenn sie erschöpft war, stellte sie sich Moos vor, viel Moos. Weich stellte sie es sich vor, nicht drahtig. Feucht, ja, ein wenig, aber auf eine gute Art, auf eine Art, die sofort trocknet, wenn man lange genug auf dem Moos gelegen hat und wieder aufsteht und in die Sonne geht. Denn im Moos ist es schattig, aber so, dass man Sonne dahinter weiß und nie friert.
    *
    Ebba betrachtete den Schweiß in den Senken ihres Torsos, sie lag auf dem Rücken, tunkte einen Zeigefinger in die Lache neben ihrem Hüftknochen, zog einen glänzenden Strich den Hügel hinauf zum Nabel. Drückte mit der Linken den Gummiknopf mit dem grünen Hörersymbol, wartete, bis sie gedämpft die Ansage hörte, Sie haben eine neue Nachricht, ehe sie das Handy ans Ohr hielt. Streckte es gleich wieder von sich weg, als Theresas Stimme ertönte, legte es auf die Matratze, neben ihren Kopf, der anthrazitfarbene Kunststoff schweißnass.
    »In die Praxis ist eingebrochen worden, Tula hat angerufen, der Flachbildschirm vom Empfang fehlt und der aus Claas’ Zimmer.« Ebbas Fußspitze schob das Laken vor dem Fenster ein Stück zur Seite, der gleißende Spalt ließ sie die Augen schließen, es würde ein furchtbarer Tag werden. »Wir fahren jetzt rüber und reden mit der Polizei.« Die Türklingel schrillte, unwillkürlich bedeckte Ebba das Telefon mit der Hand, als könne Theresa den Ton hören. »Claas muss nach Frankfurt, ich bring ihn danach zum Bahnhof.« Theresa machte eine Pause, Ebba sah an sich herab, schwarze Fussel klebten auf der Haut zwischen ihren Zehen, es klingelte erneut an der Tür, länger diesmal. »Und ich wollte dir viel Glück für deine Klausuren wünschen, lies die Aufgabenstellung immer zweimal durch, dann klappt es schon.« Theresa atmete tief ein, der Boden im Treppenhaus knarrte, als würde jemand sein Gewicht von einem auf den anderen Fuß verlagern. »Und sag Bescheid, wie es gelaufen ist.« Es liegen keine weiteren Nachrichten für Sie vor.
    Nach dem Praktikum war Ebba nicht mehr hingegangen. Die Praktikumsstelle hatten Claas und

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