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Rechnung offen

Rechnung offen

Titel: Rechnung offen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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gegangen. »Wahrscheinlich eine Auseinandersetzung im Drogenmilieu«, hatte der Kommissar gesagt. Sie hatten ihn identifiziert, den Toten, es war nicht Jürgen Schmidtke, der Tote war vorbestraft, sie hatten seine Fingerabdrücke nehmen können, wie verkohlte Grillwürstchen stellte Theresa sich die Finger vor. Angewidert warf sie die benutzten Kaffeepads in den Müll. Der Verwesungsprozess sei durch die Kälte gehemmt worden, sei aber nachweisbar bereits im Gange gewesen, als der Körper kremiert sei, so hatte der Kommissar sich ausgedrückt. Mehrere nicht verheilte Frakturen des rechten Beins hätten sie festgestellt. Die Brandursache war kniffliger, Kurzschluss in einem defekten Gerät, bei den Fundumständen wahrscheinlich provoziert, Spuren von Brandbeschleuniger hätte es nicht gegeben. Und dass sie keinen Zusammenhang mit dem Einbruch in die Praxis gefunden hätten.
    Eigentlich kann er jetzt wieder ausziehen, hatte Theresa gedacht, als sie auflegte.
    ***
    Lucas drehte den Ton ein wenig lauter, so dass er das Schwert sirren hörte, wenn er zuschlug, das Boing der Sprünge. Er hatte gewartet, bis Opa schnarchte, im Schlafzimmer, es war Mittwoch, Dialysetag, Tiefkühlpizza zum Mittag. Sonst kochte Opa, mittwochs legte er die Pizza in den Ofen und sagte ständig »ich bin so müde, ich schlaf im Sitzen ein«.
    »Die Mutter war genauso«, hatte Opa gesagt, als sie im Flur der Einrichtung standen, er war mit dem Zug nach Berlin gekommen. Sie hatten seine Papiere aus dem Orgaraum geholt. Frau Lange hatte genickt, »Verletzung der Fürsorgepflicht, Aussetzung, das ist schon ein ganzes Bündel.«
    »Zur Fahndung ausschreiben«, hatte die Polizistin gesagt, in der Nacht nach dem Feuer. Lucas hatte auf der Wache hinter dem Tresen gesessen und versucht, Vampra abzumalen, er hatte ihn an die Schreibtischlampe gelehnt, die Arme mit den Klauen hochgebogen, als würde er angreifen. »Es heißt, dass jemand mit Haftbefehl gesucht wird«, hatte Frau Lange geantwortet, als er gefragt hatte, was das bedeutete.
    Die ersten Tage hatte er jeden Morgen erwartet, dass sie ihn in den Orgaraum rufen würden, um ihm zu sagen, dass sie sie eingefangen hatten. Sie machte ihre Sache gut. Die Polizisten trugen Uniformen, sie rannten, mit zappeligen Bewegungen, so stellte Lucas es sich vor, ihre Köpfe mit den Mützen wackelten, wie im Film, wenn alles schneller lief, zu lustiger Musik. Sie rannten um die eigene Achse, Straßen rauf und runter, klingelten an jeder Tür, sahen hinter jeden Baum. Und sie war schneller und zappelte nicht.
    In den folgenden Wochen hatte Lucas sich nachts ans Fenster gestellt. Er hatte ein Zimmer für sich allein, die anderen schliefen zu zweit. Hatte seine Jacke vor den Türspalt auf den Boden gelegt und das Licht angemacht, damit sie ihn von unten sehen konnte. Die Büsche vor dem Eingang fest im Blick, dort würde er sich verstecken. Sie wusste ja nicht, wo er war, hatte er schließlich gedacht, war erleichtert gewesen, als Frau Lange sagte, dass er zu Opa käme. Dort würde sie ihn finden.
    »Die Xbox muss mit«, Lucas hatte die Arme verschränkt, als sie in der Wohnung standen, so lange den Kopf geschüttelt, »meine Klamotten sind mir egal« gesagt, bis Opa genickt hatte. Den Karton hatte er behalten, die weißen Styroporteile, in die sie gehörte, mit Tesafilm hatte er ihn wieder zugeklebt. Die Alienhaut hing nicht mehr, sie lag auf dem Küchentisch, die Polizei musste sie abgenommen haben. Das Geld war weg, er traute sich nicht zu fragen, hatte warmes Wasser ins Spülbecken laufen lassen, Seife hineingespritzt, hatte den Tellerstapel abwaschen wollen. »Lass«, hatte Opa gesagt, mit der Räumung sei eine Firma beauftragt, seine restlichen Sachen würden mit einem Lastwagen zu ihnen gebracht. Im Zug hatte Lucas protestiert, als Opa versuchte, den Karton mit der Xbox auf das Gepäckgitter zu heben, hatte ihn unter seinen Sitz geschoben, so, dass er die ganze Fahrt über eine Ecke an seiner Wade gefühlt hatte.
    Er hatte gelernt, gleichzeitig zu springen und zu schlagen, er sah auf die Uhr, Ümit war bei Karstadt, hätte keine Chance gehabt gegen ihn, Lucas ließ den Krieger erneut springen, schlagen, durch die leere Luft, einfach weil er es konnte.
    ***
    Nachmittags schien die Sonne beinahe waagerecht in den Glaskasten. Warm auf seinem Rücken, so hell auf dem Laptop, dass Nicolai den Artikel nicht zu Ende lesen konnte. Er musste die Augen zusammenkneifen, um die Uhrzeit zu erkennen, zwölf Minuten vor drei,

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