Red Shark: Thriller (German Edition)
Habt-Acht-Stellung stehen, während Kim wie von der Tarantel gestochen hinter seinem Schreibtisch hervorschoss, wild mit den Armen wedelte und mit einem Finger in die Luft stach.
»Die Kriegstreiber aus Amerika behaupten jetzt, wir hätten sie verraten«, bellte Kim und überschüttete dabei Jin mit einem Speichelregen, »wir hätten sie dazu verleitet, dass sie uns vertrauen! Jetzt drohen sie mit einem Präventivschlag mit Kernwaffen! Wegen eurer kriminellen Taten können wir uns jetzt auf einen Vernichtungskrieg auf der Halbinsel und eine Invasion der Volksrepublik durch die Faschistenschweine gefasst machen!« Er zog seinen beachtlichen Bauch ein und sein maßgeschneidertes Kakihemd glatt.
»Großer Führer«, sagte Jin ruhig, »wir haben den Staat nicht verraten, und Sie auch nicht.«
»Ruhe!«, kreischte Kim, holte tief Luft und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. Er bedeutete seinem Leibwächter hinauszugehen und die Tür zu schließen. Der Mann führte den Befehl aus, und Kim wartete ab, bis er hörte, wie die Sicherheitsriegel einrasteten, bevor er weitersprach.
»Alles, wofür ich gearbeitet habe, ist zerstört worden, weil Sie, Marschall Jin, mir die Gefolgschaft verweigert haben. Sie haben sich stattdessen dafür eingesetzt, dass wir unsere Kernwaffen behalten, bei den Inspektionen betrügen und schließlich Südkorea angreifen. Jetzt haben wir die Katastrophe! Mehr als dreihundert Amerikaner sind tot, und die Faschisten beschuldigen mich, ich hätte sie ermordet. Dabei seid ihr beiden die Mörder! Ich hätte euch alle beide schon vor Monaten erschießen lassen sollen!«
Noch einmal wischte sich Kim den Mund ab. Er stand schweigend da, um sich zu fassen. Auf seiner hohen Stirn mit den charakteristischen Haarbüscheln standen dicke Schweißperlen. Die Neonbeleuchtung spiegelte sich auf seinen dicken Brillengläsern und verbarg seine Augen. »Erzählt mir, wie ihr es getan habt«, sagte er schließlich. »Erzählt mir, wie ihr den Staat verraten habt!«
»Aber Großer Führer«, sagte Jin ungerührt, » Sie waren es doch, der den Staat verraten hat.«
Kim torkelte vor, als wollte er Jin bei seiner Uniformjacke packen, stockte aber dann und deutete mit einem zitternden Finger auf ihn. »Wie können Sie es wagen, so etwas zu mir zu sagen –«
»Es ist wahr, Großer Führer, Sie sind der Verräter. Sie haben vor den Amerikanern kapituliert. Sie haben sich bereiterklärt, unser Arsenal von Kernwaffen auszuliefern, obwohl wir es zur Verteidigung unserer Heimat gegen die westlichen Imperialisten brauchen. Sie waren einverstanden, einen Friedensvertrag zu unterschreiben, der den Koreakrieg beendete, und Inspektionen durch die UN zuzulassen, weil man Ihnen dafür Darlehen zugesagt hat. Und Sie haben Verhandlungen mit dem kriminellen Regime im Süden und dem Austausch von Botschaftern zugestimmt.«
Jin hielt Kims verblüfftem Blick stand. »Mit der Zeit hätten wir unserer Probleme mit der Hilfe von Chuch’e – Selbstständigkeit – gelöst und dabei außerdem noch die Amerikanerschweine und ihre Lakaien, die Japaner und die Chinesen, dazu gebracht, sich unseren Forderungen zu fügen. Wir hätten unsere Waffen behalten können, unsere Raketen und unsere Macht. Jetzt haben wir gar nichts. Und es waren Sie , Großer Führer, der das alles weggeworfen hat, weil Sie sich von der Macht der Amerikaner haben einschüchtern lassen! Sie sind es, der verhaftet und wegen Hochverrat erschossen werden sollte!«
Zum ersten Mal erlebte Jin, dass Kim die Worte fehlten. Er wusste aber auch, dass ein schweigender Kim unberechenbar war und die Zeit knapp wurde. Jin warf Yi einen Blick zu, der kaum merklich eine Augenbraue hochzog.
»Ihr seid Abschaum, ihr beiden!«, stieß Kim höhnisch hervor. »Abschaum übelster Sorte! Arrogant, hinterlistig, verabscheuenswürdig!«
Er fischte eine Zigarette aus der Packung auf seinem Schreibtisch und steckte sie sich mit einer zitternden Hand in den Mund.
»Sie beschreiben sich selbst, Großer Führer, finden Sie nicht?«, sagte Jin und zog selbst eine Packung Zigaretten aus der Tasche. Er hielt Kim ein schönes, mit Jade und Elfenbein eingelegtes Silberfeuerzeug hin. »Und jetzt müssen wir entscheiden, was wir in der Sache unternehmen können.«
Kim neigte seinen Kopf zu Jins Feuerzeug hinunter, das dieser völlig ruhig hielt. »Da gibt es nichts zu entscheiden!«, entgegnete er. »Ihr werdet beide wegen Hochverrat hingerichtet.« Als die erwartete Flamme ausblieb,
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