Regulator: Roman
Pläne schmiedete. Als es zu der Einsicht kommt, daß Seth sich gar nicht in dem Körper aufhält, in den es wieder eindringen wollte, eröffnet die Frau an der Tür das Feuer.
Audrey Wylers Haus/Johnnys Zeit
Cammie ist nicht mehr sicher, ob sie aus freien Stücken handelt, aber das macht nichts; wenn sie aus freien Stücken handeln könnte, würde sie nicht anders handeln. Die Wyler hält den monströsen nackten Balg in den Armen wie ein zu groß geratenes Baby, nur sind seine Schenkel statt mit Blut und Nachgeburt mit Scheiße verschmiert. Sie hält ihn wie einen Schild. Cammie könnte fast lachen bei dem Gedanken. »Lassen Sie ihn runter!« ruft Cammie, aber statt Seth abzusetzen, hebt sie ihn trotzig noch höher an die Brust. Cammie, die immer noch ihr trockenes, tückisches Grinsen sehen läßt und deren Augen fast aus den Höhlen quellen Johnny sagt sich später, daß es eine optische Täuschung gewesen ist, ganz bestimmt), richtet die Waffe auf das Kind. »Nein, Cammie, nicht!«, schreit Johnny, und dann drückt sie ab. Der erste Schuß trifft den achtjährigen Seth Garin, der immer noch von Magenkrämpfen geschüttelt wird, in die Schläfe, reißt ihm die Schädeldecke herunter und bespritzt das unheimlich gelassene Gesicht seiner Tante mit Blut, Haar und Fetzen der Kopfhaut. Die Kugel dringt ganz durch den Kopf und in Audreys linke Brust ein. Inzwischen ist ihre Kraft allerdings so weit erschöpft, daß sie keinen nennenswerten Schaden mehr anrichten kann. Das erledigt der zweite Schuß, der sie in den Hals trifft, als sie unter der Wucht des ersten rückwärts taumelt. Sie prallt mit dem Hintern gegen den überladenen Küchentisch. Aufgestapeltes Geschirr fällt herunter und zerschellt auf dem Boden. Sie dreht sich zu Johnny um, das blutige Kind noch in den Armen, und Johnny bemerkt etwas Erstaunliches: Sie sieht glücklich aus. Cammie schreit, als Audrey stürzt, vielleicht triumphierend, vielleicht vor Entsetzen darüber, was sie getan hat.
Audrey gelingt es irgendwie, Seth auch sterbend festzuhalten. Und während sie stürzt, erhebt sich das unheimliche rote Ding wie ein Schwärm von Seths Gesicht. Es wirbelt über dem schmutzigen Linoleum durch die Luft, grelle, scharlachrote Fünkchen, die einander umkreisen wie Elektronen.
Johnny und Cammie Reed sehen einander, er weiß nicht wie lange, durch diese Röte hindurch an - es scheint, als wären sie erstarrt -, bis jemand schreit: »O Scheiße! 0 Scheiße, warum haben Sie das getan, Sie blöde Kuh?« Johnny sieht Steve und Cynthia durch das dunkle Wohnzimmer näherkommen, bis sie dicht hinter Cammie stehen. Cynthia springt nach vorne, packt Cammies Arm und schüttelt sie. »Miststück! Dumme, mordgeile Fotze, was haben Sie sich gedacht, daß dies Ihren Jungen zurückbringt? Sind Sie denn nie in der Scheiß-SCHULE gewesen?« Cammie scheint sie nicht zu hören. Sie betrachtet das wirbelnde rote Ding mit aufgerissenen, starren Augen, wie hypnotisiert ... und es sieht sie ebenfalls an. Johnny kann nicht sagen, woher er das weiß, aber es ist so. Und plötzlich rast es auf sie zu wie ein Komet... oder Snake Hunters roter Tracker Arrow bei einem Angriff der Power Wagons. Er hatte Audrey gefragt, ob Tak in jemand anderen springen könnte. Sie hatte nein gesagt, da wäre sie ganz sicher, aber wenn sie sich nun geirrt hat? Wenn Tak sie getäuscht hat? Wenn es sie - »Aufpassen!« ruft er Cynthia zu. »Weg von ihr!« Die kleine Miss Zweitonfrisur starrt ihn nur über Cammies Schulter hinweg verständnislos an. Steve macht auch nicht den Eindruck, als würde er verstehen, aber er reagiert auf die unmißverständliche Panik in Johnnys Stimme und reißt Cynthia zurück.
Die wirbelnden roten Pünktchen teilen sich in zwei Hälften. Einen Augenblick erinnert Taks äußere Form Johnny an die Gabeln, mit denen sie als Teenager Marshmallows geröstet haben, wenn sie in Savin Rock um ein Lagerfeuer am Strand saßen. Nur bohren sich die Zinken dieser Gabel direkt in Cammie Reeds Augen.
Die Augen glühen leuchtend rot, blähen sich auf und explodieren förmlich aus den Höhlen. Cammies Grinsen wird so breit, daß ihre Lippen aufreißen und Blut ihr am Kinn hinabläuft. Das Ding ohne Augen stolpert vorwärts, läßt das Gewehr fallen und streckt die Arme aus. Die Hände greifen blindlings um sich. Johnny denkt, daß er in seinem ganzen Leben noch nichts gesehen hat, das so schwächlich und raubtierhaft zugleich war. »Tak!« ruft es mit einer kehligen Stimme, die keine
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