Reise durch die Sonnenwelt
Plan, den Lieutenant Prokop entwickelte, da aber der Untergang der Kolonisten in jedem anderen Falle sicher schien, so durfte man vor diesem Abenteuer nicht zurückschrecken, sondern bald an dessen Vorbereitung denken. Hierzu mußte freilich nicht nur die Stunde, sondern auch die Minute, womöglich die Secunde des Zusammenstoßes vorher genau bekannt sein.
Kapitän Servadac übernahm es, Palmyrin Rosette, unter Beobachtung aller Vorsichtsmaßregeln, darnach zu fragen.
Unter der Leitung des Lieutenants begann man schon jetzt also die Herstellung der Montgolfière. Diese mußte ziemlich große Dimensionen erhalten, um alle Bewohner von Warm-Land aufnehmen zu können – dreiundzwanzig Personen, da man keine Ursache hatte, nach ihrer Weigerung auf die Engländer von Ceuta und Gibraltar weiter Rücksicht zu nehmen.
Lieutenant Prokop gedachte die Aussicht auf den erwünschten Erfolg der bevorstehenden Luftfahrt noch dadurch zu erhöhen, daß er sich die Möglichkeit sicherte, nach dem Stoße im Nothfalle noch eine Zeit lang in der Luft schweben zu können, da es darauf ankommen konnte, einen passenden Platz zum Niedergehen erst auszuwählen. Er beschloß demnach, eine gewisse Menge Brennmaterial, trockenes Laub und Stroh, mitzunehmen, um die Luft im Innern der Montgolfière länger warm halten zu können. So verfuhren früher die ersten Aëronauten.
Die Segel der Dobryna waren im Nina-Bau untergebracht worden. Sie bestanden aus einem sehr dichten Gewebe, das man mittelst eines Firnisses bequem noch undurchdringlicher machen konnte. Alles hierzu Nöthige fand sich unter der Ladung der Tartane und stand dem Lieutenant also zur Verfügung. Dieser zeichnete nun den Riß der zu schneidenden Streifen genau auf. Alle Hände waren bald beschäftigt, dieselben zusammenzunähen – alle, selbst die der kleinen Nina. Die russischen Matrosen erwiesen sich bei dieser Arbeit besonders geübt, und lehrten auch den Spaniern, wie sie sich anstellen sollten, so daß das ganze Atelier bald in vollständiger Thätigkeit war.
Ein Monat ging bei diesen Arbeiten hin. Kapitän Servadac hatte noch immer keine Gelegenheit gefunden, an seinen früheren Lehrer jene Fragen wegen der genauen Zeit des erwarteten neuen Zusammenstoßes zu richten. Palmyrin Rosette war total unzugänglich. Es vergingen ganze Tage, ohne daß man ihn zu sehen bekam. Da die Temperatur jetzt am Tage erträglicher war, verschloß er sich in sein Observatorium, von dem er förmlich Besitz genommen, und wo er Jedermann den Zutritt verwehrte. Als Hector Servadac nur einmal einen Versuch wagte, kam er sehr übel an. Mehr als je verzweifelt, nach der Erde zurückkehren zu sollen, hatte er nicht die geringste Lust, sich mit den dabei zu erwartenden Gefahren zu beschäftigen, noch etwas für das allgemeine Beste zu thun.
Und doch erschien es vor Allem wichtig, genau den Augenblick zu kennen, in dem die beiden Himmelskörper mit einer Geschwindigkeit von vierzehnundeinviertel Meilen in der Secunde auf einander treffen würden.
Alle Hände waren beschäftigt, die Streifen zusammenzunähen. (S. 440.)
Kapitän Servadac mußte sich eben in Geduld fassen und er that es.
Inzwischen näherte sich die. Gallia der Sonne mehr und mehr. Die Erdscheibe wuchs sichtlich vor den Augen der Gallia-Bewohner. Während des Monats November hatte der Komet eine Strecke von 35. 4 Millionen Meilen zurückgelegt und befand sich am 1. December noch 46. 8 Millionen Meilen weit von der Sonne.
Die Temperatur stieg beträchtlich und führte mit dem Thauwetter den Eisbruch herbei. O, es bot ein herrliches Schauspiel, als das Eis des Meeres sich auflöste und in Bewegung kam. Man hörte den »furchtbaren Eisschrei«, wie die Wallfischfahrer sagen.
Ueber die Abhänge des Vulkanes und des Strandes schlängelten sich launenhaft die ersten Wasserfäden, die sich nach wenigen Tagen zu Wildbächen und Wasserfällen ausbildeten. Allüberall schmolz nun der Schnee der Höhen.
Gleichzeitig stiegen auch wieder leichte Dünste am Horizonte auf. Nach’ und nach ballten sie sich zu Wolken zusammen, die der Wind, der während des langen Gallia-Winters vollständig geruht hatte, lustig vor sich herfegte. Wohl mußte man sich jetzt auf nahe bevorstehende Störungen der Atmosphäre gefaßt machen, doch es war ja das Leben, das mit dem Lichte und der Wärme auf der Oberfläche des Kometen wieder erwachte.
Jetzt traten auch zwei längst vorhergesehene Ereignisse ein und führten die Zerstörung der Gallia-Marine
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