Reise durch die Sonnenwelt
er die Rückkehr der Gallia nach der Erde etwa verhindern kann.
– Wozu nützt dann aber die ganze Wissenschaft?
– Nun, meist um zu wissen, daß man noch lange nicht Alles weiß! belehrte ihn Graf Timascheff.
– Es steht fest, meine Herren, ließ sich Lieutenant Prokop vernehmen, daß uns bei dem zu erwartenden Stoße neue Gefahren bedrohen. Mit Ihrer Erlaubniß will ich sie aufzählen; wir werden dann am Besten sehen, ob es eine Möglichkeit giebt, sie zu bekämpfen oder doch ihre Wirkungen zu vermindern.
– Wir hören, Prokop!« antwortete Graf Timascheff.
Alle sprachen über das Alles mit einer Ruhe, daß man hätte glauben mögen, es ging sie selbst nicht das Geringste an.
»Meine Herren, begann Lieutenant Prokop, wir müssen uns zunächst fragen, in welcher Weise der neue Zusammenstoß zwischen Erde und Komet erfolgen wird. Dann werden wir sofort erkennen, was in dem einen oder anderen Falle zu fürchten oder zu hoffen ist.
– Das scheint mir ganz logisch, erwiderte Kapitän Servadac; vergessen wir aber nicht, daß die beiden Gestirne sich das eine auf das andere zu bewegen und daß ihre Geschwindigkeit im Augenblick des Zusammentreffens vierundfünfzigtausend Meilen in der Stunde beträgt.
– Zwei nette Eisenbahnzüge! bemerkte Ben-Zouf.
– Suchen wir also zu ergründen, wie der Stoß erfolgen wird, fuhr Lieutenant Prokop fort. Die beiden Weltkörper werden sich entweder in schiefer oder in normaler Richtung begegnen. Im ersten Falle könnte es vorkommen, daß die Gallia die Erde nur streifte, ebenso wie das erste Mal, ihr wiederum einige Stücke entrisse und im Weltraum ihre Bahn weiter fortsetzte. Dadurch würde die Lage ihrer Bahn zweifelsohne eine Veränderung erleiden, und wir dürften wenig Hoffnung haben, jemals unseres Gleichen wieder zu sehen.
– Das wäre zwar Wasser auf Herrn Rosette’s Mühle, aber nicht auf die unsere, bemerkte Ben-Zouf sehr richtig.
– Lassen wir diese Hypothese also außer Frage, sagte Graf Timascheff die Vorzüge und Nachtheile dieses Falles sind uns ja hinreichend bekannt. Beschäftigen wir uns gleich mit dem eigentlichen Stoße, d.h. mit dem Falle, daß die Gallia nach dem Zusammentreffen an die Erde gefesselt bliebe.
– Wie eine Warze auf einem Gesichte, sagte Ben-Zouf.
– Ruhe, Ben-Zouf, befahl Hector Servadac.
– Zu Befehl, Herr Kapitän.
– Gut, betrachten wir also, nahm Lieutenant Prokop wieder das Wort, die möglichen Folgen eines directen Stoßes. Vor Allem ist zu bedenken, daß die Masse der Erde die der Gallia so wesentlich übertrifft, daß ihre Geschwindigkeit durch das Zusammentreffen nicht vermindert werden und sie den Kometen einfach mit sich fortführen wird.
– Zugegeben, antwortete Kapitän Servadac.
– Nun, meine Herren, bei einem directen Stoße wird die Gallia auf die Erde entweder mit demjenigen Theile ihrer Oberfläche treffen, den wir hier am Aequator bewohnen, oder mit der entgegengesetzten Seite, wo unsere Antipoden weilen können, oder endlich mit dem einen oder dem anderen ihrer Pole. In jedem dieser Fälle ist aber überhaupt gar keine Aussicht vorhanden, daß nur eines der belebenden Wesen, welche sie trägt, dabei mit dem Leben davon käme.
– Erklären Sie sich näher, Lieutenant, sagte Kapitän Servadac.
– Befinden wir uns zur Zeit des Zusammenstoßes an der davon betroffenen Stelle selbst, so werden wir nothwendiger Weise zermalmt.
– Das versteht sich von selbst, meinte Ben-Zouf.
– Bilden wir dagegen die Antipoden dieses Punktes, so droht uns, außer der ebenso unumgänglichen Zermalmung, da die Geschwindigkeit, mit der wir dahinfliegen, plötzlich gehemmt wird – was der Wirkung eines Stoßes vollkommen gleichkommt – noch die Gewißheit, zu ersticken. Die Gallia-Atmosphäre muß sich nämlich mit der Erd-Atmosphäre zu vermischen suchen und auf dem Gipfel dieses sechzig Meilen hohen Berges, den die Gallia dann über der Erdoberfläche darstellen wird, dürfte sich keine athembare Luft mehr vorfinden.
– Und wenn die Gallia die Erde mit einem ihrer Pole trifft? fragte Graf Timascheff.
– In diesem Falle, antwortete Lieutenant Prokop, würden wir rettungslos weggeschleudert und durch den furchtbaren Sturz zerschmettert werden.
– Sehr schön, murmelte Ben-Zouf.
– Ich erwähne hierzu aber noch, daß wir, selbst in dem unmöglichen Falle des nicht Eintretens einer dieser Hypothesen, unausweichlich verbrannt werden.
– Verbrannt? wiederholte Hector Servadac erstaunt.
– Ja wohl, denn da
Weitere Kostenlose Bücher