Reise Um Die Erde in 80 Tagen
Seit dem Abend zuvor war das Barometer rasch gesunken, ließ eine bevorstehende Aenderung der Luftbeschaffenheit vermuthen. In der That änderte sich während der Nacht die Temperatur, es wurde lebhaft kalt und zugleich schlug der Wind um zu Südost.
Es war ein widriges Ereigniß; um nicht aus seiner Richtung zu kommen, mußte Herr Fogg seine Segel einziehen und den Dampf verstärken. Dennoch nahm die Schnelligkeit des Schiffes ab, da bei diesem Zustand des Meeres die starken Wellen wider seinen Vordersteven schlugen. Der Wind wurde allmälig zum Orkan, und man sah den Fall voraus, daß die Henritta sich nicht mehr gegen die Wogen würde halten können.
Zugleich mit dem Himmel wurde auch Passepartout's Angesicht wieder düster, und während zwei Tagen schwebte der brave Junge in Todesängsten. Aber Phileas Fogg war ein kühner Seemann, der dem Meere Trotz zu bieten verstand, und hielt sich fortwährend in der Richtung. Wenn die Henrietta nicht über die Wellen gleiten konnte, drang sie hindurch, daß ihr Verdeck ganz überspült wurde. Bisweilen, wenn ein Wasserberg den hinteren Theil aus den Wellen emporhob, tauchte auch die Schraube aus dem Wasser auf, aber das Schiff kam dabei immer vorwärts.
Doch wurde der Wind nicht so stark, als man befürchten konnte; aber [224] leider wehte er hartnäckig aus Südost, und gestattete nicht die Segel aufzuspannen. Und doch wäre es sehr dienlich gewesen, dem Dampf fördernd beizustehen.
Phileas Fogg kauft das Schiff. (S. 227.)
Am 16. December war der fünfundsiebenzigste Tag seit der Abfahrt von London. Die Henrietta war noch nicht in beunruhigender Weise verspätet. Fast die Hälfte der Fahrt über den Ocean war gemacht, und die schlimmsten Seestriche waren vorüber. Im Sommer konnte man schon für den Erfolg bürgen; im Winter war man der übeln Witterung preisgegeben.
Henrietta demolirt. (S. 228.)
Passepartout [225] äußerte sich nicht. Im Grund hegte er Hoffnung, und wenn der Wind auch mangelte, rechnete er wenigstens auf den Dampf.
An diesem Tage nun kam der Maschinist auf das Verdeck, begegnete Herrn Fogg, und unterhielt sich sehr lebhaft mit ihm.
Ohne zu wissen warum – wohl aus schlimmer Ahnung – ward Passepartout unruhig. Er hätte ein Ohr hingegeben, um mit dem anderen zu hören, was gesprochen wurde. Doch konnte er einige Worte erlauschen, unter anderen, wie sein Herr sprach:
[226] »Sind Sie dessen gewiß, was Sie melden?
– Ja, mein Herr, erwiderte der Maschinist. Vergessen Sie nicht, daß wir seit unserer Abfahrt alle unsere Oefen heizen, und hatten wir auch Kohlen genug, um mit schwachem Dampf nach Bordeaux zu fahren, so reicht das nicht aus für die Fahrt nach Liverpool mit stärkstem Dampf!
– Ich will Vorsorge treffen«, erwiderte Herr Fogg. Passepartout hatte es verstanden. Es ward ihm todtangst.
Die Kohlen gingen aus!
»Ah! wenn mein Herr dies parirt, sprach er bei sich, ist er gewiß ein famoser Mann!«
Und als er mit Fix zusammentraf, konnte er nicht umhin, ihn von der Lage in Kenntniß zu setzen.
»Dann glauben Sie also, erwiderte der Agent, daß wir nach Liverpool fahren!
– Wahrhaftig!
– Schwachkopf!« versetzte der Agent, und zuckte die Achseln.
Passepartout war im Begriff, diese Bezeichnung, deren eigentlichen Sinn er übrigens nicht verstehen konnte, derb zurückzuweisen; aber er sagte sich, daß dem unglückseligen Fix ein gewaltiger Strich durch die Rechnung gemacht worden, daß er sich in seiner Eigenliebe sehr gedemüthigt fühlen mußte, nachdem er so ungeschickt eine falsche Fährte um die ganze Erde herum verfolgt und ließ es dabei bewenden.
Und was war jetzt Phileas Fogg im Begriff für einen Entschluß zu fassen? Das war schwer zu denken. Indessen schien es, als habe der phlegmatische Gentleman ein Auskunftsmittel gefunden, denn an demselben Abend ließ er den Maschinisten kommen und sagte zu ihm:
»Lassen Sie stärker feuern und fahren Sie weiter, bis das Brennmaterial völlig zu Ende ist.«
Das Schiff fuhr also mit voller Dampfkraft weiter; aber nach zwei Tagen, am 18., meldete der Maschinist, daß an diesem Tage die Kohlen mangeln würden.
»Man vermindere das Feuern nicht«, erwiderte Herr Fogg.
An diesem Tage ließ Fogg um Mittag, nachdem er die Lage des Schiffes aufgenommen, Passepartout kommen und trug ihm auf, den Kapitän Speedy [227] zu holen. Dem braven Burschen kam es vor, als solle er einen Tiger loslassen, und er sagte beim Hinabgehen in's Hinterverdeck:
»Ganz gewiß wird er wüthend
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