Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras
aber die Vorräthe schienen von den Füchsen und selbst Bären, deren frische Spuren man noch sah, geplündert worden zu sein; auch Menschenhände mußten bei der Zerstörung sich betheiligt haben, denn es waren am Ufer der Bai einige Reste von Eskimo-Hütten zu sehen.
Die sechs Gräber mit Seeleuten der Entreprise und des Investigator waren an einer leichten Erhöhung des Bodens zu erkennen; sie waren von Menschen und Thieren unbeschädigt gelassen worden.
Als der Doctor zum erstenmal den nordländischen Boden betrat, war er wahrhaft gerührt.
»Sehen Sie hier, sprach er zu seinen Gefährten, James Roß nannte diesen Ort selbst eine Zufluchtsstätte! Wäre Franklin’s Expedition bis dahin gekommen, so wäre sie geborgen gewesen.
(S. 119.)
Dort ist die hier zurückgelassene Maschine, und der auf der Plateform errichtete Ofen, woran die Mannschaft des ›Prinz Albert‹ im Jahre 1851 sich wärmte; es ist Alles in dem nämlichen Zustand geblieben, daß man glauben könnte, sein Kapitän Kennedy habe diesen gastlichen Hafen erst gestern verlassen. Da ist die Schaluppe, welche ihm und den Seinigen einige Tage Schutz gewährte, denn dieser Kennedy verdankte, als er von seinem Schiff getrennt war, dem Lieutenant Bellot, welcher, um ihn aufzufinden, der Octoberkälte trotzte, wahrhaft seine Rettung.
– Ein wackerer, verdienter Officier, den ich gekannt habe«, sagte Johnson.
Während der Doctor mit dem Eifer eines Alterthumsforschers die Spuren der vorhergehenden Ueberwinterung aufsuchte, war Hatteras bemüht, die Lebensmittel und das Brennmaterial zu sammeln, welches sich nur in sehr kleinem Betrag vorfand. Am folgenden Tage brachte man sie an Bord. Der Doctor streifte umher, ohne sich weit vom Schiff zu entfernen, und zeichnete die merkwürdigsten Ansichten. Allmälig stieg die Temperatur, der aufgehäufte Schnee fing an zu schmelzen. Der Doctor machte eine vollständige Sammlung des nordischen Gevögels, als Möven, Taucher, Eider-Enten, von denen einige bereits sich am Bauch der Eiderdaunen beraubt hatten, um ihr Nest damit auszufüttern. Der Doctor gewahrte auch große Robben, welche zum Luftschöpfen an die Oberfläche des Eises kamen, aber herausbekommen konnte er keine derselben.
Bei seinen Ausflügen entdeckte er den Ebbe-und Fluthstein mit den eingegrabenen Zeichen
welche das Vorbeifahren der Entreprise und des Investigator bezeichnen; er drang vor bis zum Cap Clarence, der nämlichen Stelle, wo John und James Roß im Jahre 1833 so ungeduldig das Aufgehen des Eises erwartet hatten. Der Boden war mit Gebeinen und Schädeln von Thieren bedeckt, und man konnte noch die Spuren von Eskimo-Wohnungen erkennen.
Der Doctor hatte im Sinne gehabt, im Hafen Leopold ein Steindenkmal zu errichten mit einer Notiz von der Fahrt des Forward und dem Zweck der Expedition. Aber Hatteras war dem förmlich entgegen; er wollte nicht Spuren hinter sich lassen, welche ein Concurrent hätte benutzen können. Ungeachtet seiner guten Gründe mußte der Doctor dem Willen des Kapitäns sich fügen.
Shandon tadelte zumeist diesen Eigensinn; denn im Fall eines Unglücks hätte kein Fahrzeug dem Forward zu Hilfe kommen können.
Hatteras wollte diesen Gründen nicht Rechnung tragen. Da seine Ladung am Montag Abend fertig war, machte er noch einmal den Versuch, nach Sprengung der Eisdecke nordwärts zu dringen; aber nach gefährlichen Versuchen mußte er sich entschließen, den Regenten-Canal wieder hinabzufahren; um keinen Preis wollte er im Hafen Leopold bleiben, da er heute offen, morgen durch eine unerwartete Verschiebung der Eisfelder eingeschlossen sein konnte.
Wenn Hatteras seine Besorgnisse nicht merken ließ, so empfand er sie doch innerlich sehr stark. Er wollte nordwärts dringen, und sah sich gezwungen südwärts zurückzuweichen! Wohin sollte er dergestalt kommen? Sollte er bis zu Victoria-Harbour im Golf Boothia weichen, wo Sir John Roß 1833 überwinterte? Sollte er die Bellot-Straße dann frei finden, und um Nord-Sommerset herum durch die Peel-Straße wieder nordwärts fahren? Oder würde er, gleich seinen Vorgängern mehrere Winter hier in Gefangenschaft stecken, genöthigt seine Kräfte und Vorräthe da aufzuzehren?
Diese Besorgnisse peinigten ihn; aber er mußte einen Entschluß fassen. Er wendete sein Schiff und fuhr südwärts.
Der Prinz-Regent-Canal ist vom Hafen Leopold an bis zur Bai Adelaide fast gleichmäßig breit. Der Forward fuhr rasch zwischen Eisblöcken mitten hindurch, und war besser
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