Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras
man sie für unausweichlich festgefahren, aber eine unerwartete Bewegung der Eisströme öffnete ihr neue Bahn, und sie fuhr kühn weiter; wann zur Zeit eines Aufenthaltes der Dampf aus den Klappen wich, verdichtete er sich in der kalten Luft und fiel als Schnee wieder auf’s Verdeck. Noch eine andere Ursache hemmte die Fahrt der Brigg. Mitunter geriethen zwischen die Schaufeln der Schraube Eisstücke von solcher Härte, daß die Maschine sie nicht zermalmen konnte; dann mußte man diese umkehren und rückwärts fahren, indeß Bootsleute mit Hebeln und Hebebäumen die Schraube frei machten. Daraus entstanden denn Strapazen und Verzögerungen.
Dreizehn Tage lang ging es so; der Forward schleppte sich mühsam längs der Pennystraße. Die Mannschaft murrte zwar, doch leistete sie noch Gehorsam; sie sah ein, daß man jetzt unmöglich zurückfahren konnte. Die Fahrt nach Norden bot weniger Gefahren als der Rückzug nach dem Süden; man mußte auf Ueberwinterung denken.
Die Matrosen sprachen unter einander über diese neue Lage, und eines Tages plauderten sie darüber selbst mit Richard Shandon, von dem sie wußten, daß er auf ihrer Seite war. Dieser, uneingedenk seiner Officierspflicht, scheute sich nicht, in seiner Gegenwart die Autorität seines Kapitäns bestreiten zu lassen.
»Sie sagten also, Herr Shandon, fragte Gripper, wir könnten nicht mehr rückwärts fahren?
– Jetzt ist’s zu spät, erwiderte Shandon.
– Dann, fuhr ein anderer Matrose fort, haben wir nur noch an ein Winterquartier zu denken?
– Das ist jetzt unsere einzige Zuflucht! Man hat mir nicht glauben wollen …
– Ein andermal, erwiderte Pen, der wieder in seinen gewohnten Dienst eingetreten war, wird man Ihnen glauben.
– Da ich nicht der Herr sein werde … entgegnete Shandon.
– Wer weiß? versetzte Pen. John Hatteras mag gehen, so weit als es ihm belieben mag, aber man braucht ihm nicht zu folgen.
– Man braucht nur, fuhr Gripper fort, an seine erste Fahrt in’s Bassins-Meer zu denken, und wie es da ergangen ist!
Die Katastrophe. (S. 180.)
– Und an die Reise des Farewell, sagte Clifton, welcher unter seinem Commando in den Meeren von Spitzbergen zu Grunde ging.
– Und er ist allein heim gekommen, erwiderte Gripper.
– Allein mit seinem Hund, versetzte Clifton.
– Wir haben nicht Lust, uns dem Belieben dieses Mannes zu opfern, fügte Pen bei.
– Noch die wohlverdiente Prämie zu verlieren!«
Man erkennt an dieser Bemerkung, daß Clifton sie machte.
»Wenn wir den achtundsiebenzigsten Grad hinter uns haben, setzte er hinzu, und wir sind nicht mehr weit davon entfernt, so macht das gerade dreihundertfünfundsiebenzig Pfund für Jeden.
– Aber, erwiderte Gripper, werden wir sie nicht verlieren, wenn wir ohne den Kapitän heim kommen?
– Nein, versetzte Clifton, wann bewiesen wird, daß die Rückkehr unabweislich nothwendig geworden.
– Aber der Kapitän … doch …
– Sei ruhig, Gripper, erwiderte Pen, wir werden schon einen Kapitän bekommen, und einen tüchtigen, den Herr Shandon kennt. Wenn ein Commandant ein Narr wird, setzt man ihn ab, und ernennt einen anderen. Nicht wahr? Herr Shandon?
– Meine Freunde, erwiderte Shandon ausweichend, Sie werden stets in mir ein Herz voll Hingebung finden. Doch warten wir ab, was kommen wird.«
Wir sehen, es zog sich über dem Haupte Hatteras’ ein Sturm zusammen; dieser aber, fest, unerschütterlich, energisch, stets zuversichtlich, schritt kühn voran. Ueberhaupt, war er auch nicht der Richtung seines Schiffes Meister, so hatte er doch Tüchtiges geleistet: andere Seefahrer hatten zwei bis drei Jahre gebraucht, um die Fahrt zu machen, welche er in fünf Monaten erzielte. Jetzt befand er sich in der Lage überwintern zu müssen, aber dies konnte für starke und entschlossene Gemüther, bewährte und an Gefahren gewöhnte Seelen, unverzagte und gestählte Geister nichts zum Erschrecken sein. Haben nicht Sir John Roß und Mac Clure drei Winter hinter einander in den Nordmeer-Gegenden zugebracht? Was diesen möglich war, konnte man’s nicht ebenso machen?
»Ganz gewiß ja, sagte sich Hatteras wiederholt, und mehr noch, wenn’s Noth thut! Ach! sagte er mit Bedauern zum Doctor, hätte ich doch durch den Smith-Sund, nördlich vom Bassins-Meer dringen können, so wäre ich jetzt bereits am Pol!
– Gut! erwiderte mit unveränderlichem Vertrauen der Doctor, wir werden hinkommen, Kapitän, auf dem neunundneunzigsten Meridian zwar; aber gleichviel, wenn alle
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