Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras
um seine gewohnten Jagdausflüge zu machen.
Am 3. November, um 6 Uhr Vormittags, bei einer Temperatur von fünf Grad unter Null (– 21° hunderttheilig) zog er wieder aus in Gesellschaft von Johnson und Bell; auf dem in den letzten Tagen reichlich gefallenen und festgefrorenen Schnee war es leicht zu gehen; die Kälte war trocken und empfindlich; der Mond glänzte in unvergleichlicher Reinheit, so daß die Jäger lange Schatten auf die Fläche hinwarfen.
Der Doctor hatte seinen Freund Duk bei sich, der witternd des Weges lief und oft bei einer noch frischen Spur stehen blieb. Doch trotzdem waren die Jäger nach zwei Stunden nicht einmal auf einen Hasen gestoßen.
»Hat denn auch das Wild Lust bekommen, südwärts zu wandern? sagte der Doctor.
– Man sollte es meinen, Herr Clawbonny, erwiderte der Zimmermann.
– Ich meinestheils glaube es nicht, versetzte Johnson; Hasen, Füchse, Bären sind hier in ihrem Klima; meiner Ansicht nach hat der letzte Sturm ihr Verschwinden verursacht; aber mit den Südwinden werden sie bald wieder kommen. Ja, wenn Sie von Rennthieren und Bisamochsen sprächen, wäre es anders.
– Und doch finden sich diese Thiere auf der Insel Melville häufig truppweise, fuhr der Doctor fort; sie liegt doch südlicher, und Parry hat bei seinen Winteraufenthalten von diesem prächtigen Wildpret stets soviel gehabt, als er nur wollte.
– Wir sind nicht so gut daran, erwiderte Bell; könnten wir nur Bärenfleisch genug haben, so hätten wir uns nicht zu beklagen.
– Darin liegt eben die Schwierigkeit, entgegnete der Doctor; die Bären scheinen mir sehr selten und wild.
– Bell spricht von Bärenfleisch, fuhr Johnson fort; aber das Fett dieses Thieres wäre uns jetzt noch wünschenswerther, als sein Fleisch und Pelz.
– Du hast Recht, Johnson, erwiderte Bell, daß Deine Gedanken auf Brennmaterial stehen?
– Darauf muß man wohl denken, selbst bei größter Sparsamkeit haben wir für keine drei Wochen mehr!
– Ja, versetzte der Doctor, darin liegt eine wirkliche Gefahr, denn wir sind erst im Anfang des Novembers, und der Februar ist in den Eisregionen der kälteste Monat im Jahre; doch können wir in Ermangelung von Bärenfett auf Robbenfett rechnen.
– Nicht lange mehr, Herr Clawbonny, erwiderte Johnson, es wird nicht lange dauern, so werden uns diese Thiere meiden; mag Kälte oder Schrecken die Ursache sein, wir werden sie bald nicht mehr auf den Eisblöcken zu sehen bekommen.
– Dann, fuhr der Doctor fort, müssen wir uns, sehe ich wohl, durchaus auf die Bären beschränken; das ist offenbar das nützlichste Thier dieser Gegenden, denn es kann für sich allein dem Menschen seine nothwendigsten Bedürfnisse, Nahrung, Kleidung, Licht und Brennstoff, liefern. Hörst Du, Duk, sprach der Doctor liebkosend zu dem Hunde, Bären brauchen wir; also, mein Freund, such’! spür’ auf!«
Duk, der eben die Eisfläche auswitterte, folgte dem schmeichelnden Auftrag des Doctors, und rannte pfeilschnell davon. Er bellte so lebhaft, daß es trotz seiner Entfernung von den Jägern deutlich vernommen wurde.
Es ist zum Erstaunen, wie weit in den niederen Temperaturen der Ton reicht; es ist gerade wie mit dem Sternenlicht am Polar-Himmel; die Lichtstrahlen und die Tonwellen pflanzen sich auf beträchtliche Entfernung fort, zumal bei der trockenen Kälte bei Nacht.
Ein Fuchs, statt eines Bären!
Die Jäger eilten, diesem fernen Bellen folgend, dem Duk nach; sie hatten eine Meile zurückzulegen, und kamen athemlos an, denn in solcher Atmosphäre verliert man leicht den Athem. Duk stand kaum fünfzig Schritte von einer enormen Gestalt, die auf dem Gipfel eines Hügels sich hin und her bewegte.
»Da haben wir es ja nach Wunsch! rief der Doctor, und lud sein Gewehr.
– Ein Bär, meiner Treu’, ein hübscher Bär, sagte Bell.
– Ein ausgezeichneter Bär«, sagte Johnson, und behielt sich vor, seine beiden Gefährten zuerst schießen zu lassen.
Duk bellte wüthend. Bell ging zwanzig Schritte vor, und feuerte; aber er schien nicht getroffen zu haben, denn das Thier fuhr fort, seinen Kopf plump hin und her zu wiegen.
Nun trat auch Johnson vor, und schoß nach sorgfältigem Zielen.
»Schön! rief der Doctor; abermals nichts! Ei! Die verdammte Strahlenbrechung! Wir sind noch nicht in Schußweite; daran gewöhnt man sich nicht leicht! Dieser Bär ist noch über tausend Schritte entfernt!
– Vorwärts!« erwiderte Bell.
Die drei Kameraden stürzten nun flugs auf das Thier zu, welches
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