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Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Titel: Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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November änderte sich die Witterung abermals, und unter Einwirkung gewisser atmosphärischer Einflüsse sank das Thermometer auf vierundzwanzig Grad unter Null (– 31° hunderttheilig). Dies war die niedrigste bis jetzt beobachtete Temperatur. Diese Kälte wäre bei ruhiger Luft erträglich gewesen; aber der Wind wehte schneidend scharf.
    Bei einer solchen Kälte bringt jede heftige Bewegung leicht außer Athem. Ein Mann kann dann kaum den vierten Theil seiner gewöhnlichen Arbeit leisten; es wird unmöglich, eiserne Geräthschaften anzufassen; nimmt man solche unvorsichtig in die Hand, so empfindet diese einen Schmerz, wie bei einer Brandwunde, und Fetzen der Haut bleiben an dem unvorsichtig angefaßten Gegenstande hängen.
    Da also die Mannschaft auf das Schiff beschränkt war, mußte sie täglich einige Stunden lang auf dem überdachten Verdeck zubringen, wo ihr auch das Rauchen gestattet war, denn im gemeinschaftlichen Saal war es untersagt.
    Hier wurden, sobald das Feuer ein wenig nachließ, die Wände und Fugen des Fußbodens sogleich mit Eis überzogen; es war kein Bolzen oder Nagel von Eisen, keine metallene Platte, die nicht sogleich damit bedeckt ward. Der Athem der Menschen verdichtete sich in der Luft, und fiel sogleich wieder als Schnee nieder. Nur einige Fuß vom Ofen ab bekam die Kälte wieder volle Kraft, und die Leute hielten sich dicht gedrängt nächst dem Feuer.
    Doch rieth ihnen der Doctor, sich abzuhärten, und an diese Temperatur, mit welcher man gewiß noch länger zu kämpfen haben werde, zu gewöhnen. Er rieth ihnen, ihre Oberhaut allmälig an diese starke Kälte zu gewöhnen, und ging mit gutem Beispiel voran; aber die Meisten blieben aus Trägheit an ihrer Stelle, wollten nicht wanken noch weichen, und schliefen lieber in dieser nachtheiligen Wärme ein.
    Indessen war es, nach des Doctors Ansicht, durchaus nicht gefährlich, vom erwärmten Saal heraus sich einer großen Kälte auszusetzen; solch schroffer Uebergang ist nur dann nachtheilig, wann man feucht von Schweiß ist; der Doctor stützte seinen Rath auf Beispiele, aber er predigte tauben Ohren.
    John Hatteras schien die Wirkung dieser Temperatur nicht zu spüren; er ging schweigend auf und ab, weder schneller noch langsamer. War seine Constitution so besonders kräftig? Besaß er in höherm Grade das natürliche Wärmeprincip, worauf er bei der Wahl seiner Matrosen bedacht war? Wirkte seine fixe Idee stählend den äußeren Einwirkungen entgegen? Seine Leute sahen nur mit Staunen, wie er diesen vierundzwanzig Grad unter Null Trotz bot; er verließ Stunden lang das Schiff, und wann er zurückkam, sah man keine Spuren der Kälte in seinem Angesicht.
    »Ein seltsamer Mann, sagte der Doctor zu Johnson; er setzt mich selbst in Staunen! Er ist eine der kräftigsten Naturen, die ich in meinem Leben studirt habe!
    – Die Hauptsache ist, erwiderte Johnson, daß er in freier Luft ab und zu und umher geht, ohne wärmere Bekleidung als im Juni.
    – O! Die Bekleidung macht wenig aus, erwiderte der Doctor; wozu nützt warme Bekleidung, wenn man nicht den Wärmequell in sich selbst hat? Durch Einwickeln in eine wollene Decke kann man nicht ein Stück Eis warm machen! Hatteras bedarf dessen nicht, es liegt in seiner Constitution.«
    Johnson, der den Auftrag hatte, jeden Morgen die Feuerstätte zugänglich zu machen, bemerkte, daß das Eis mehr als zehn Fuß dick war.
    Fast jede Nacht konnte der Doctor ein prachtvolles Nordlicht beobachten; von vier bis acht Uhr Abends war der Himmel im Norden leicht gefärbt; nachher nahm die Färbung die regelmäßige Form eines blaßgelben Saumes an, dessen Enden sich wie ein Bogen auf das Eisfeld stützten. Allmälig hob sich der glänzende Gürtel am Himmel in Gemäßheit des magnetischen Meridians, und erschien schwärzlich gestreift; Strahlen eines leuchtenden Stoffs liefen von da aus, verlängerten sich mit bald stärkerm, bald schwächerm Glanz; war das Meteor bis zu seinem Zenith gekommen, so bestand es oft aus mehreren Bogen, die sich in rothen, gelben oder grünen Lichtwogen badeten: ein unvergleichliches Schauspiel zum Verblenden. Bald neigten sich die verschiedenen krummen Linien in einem einzigen Punkt und bildeten Kronen vonhimmlischer Pracht. Endlich drängten sich die Bogen zusammen, das glänzende Nordlicht erbleichte, die hellleuchtenden Strahlen zerflossen in blassem, unstetem, unbestimmtem Scheine, und das wundervolle Phänomen, abgeschwächt und fast erloschen, verschwand unmerklich in dem

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